Wir dürfen auch in diesem Jahr konstatieren: Es hat in Österreich nicht sieben Wochen geregnet und in Deutschland herrschte auch nicht sieben Wochen eitel Sonnenschein. Dies die eigentlich überflüssige Feststellung für all jene, welche an der wortwörtlichen Auslegung der Siebenschläferregel mit dem 27. Juni als Lostag festhalten möchten (es gibt sie tatsächlich, wie alljährlich die Medienerzeugnisse an diesem Tag beweisen). Wir haben uns wie jedes Jahr auf den Witterungscharakter zum Monatswechsel Juni/Juli konzentriert und anhand der vorherrschenden Zirkulationsform einen Westlagen-Sommer prognostiziert, im Detail nachzulesen hier. Ob diese Einschätzung richtig lag, verifizieren wir wie in jedem Jahr nach Ablauf der betreffenden sieben Wochen.
Genau mit dem 27. Juni – was eher Zufall ist, denn oft ist es ein paar Tage später – stellte die Zirkulation über dem Nordatlantik und Europa von meridionaler zu zonaler Form um. Die Frontalzone glättete sich über dem Atlantik bis in die Westhälfte des Kontinents hinein, erst hier wurde sie durch das blockierende Hoch im Osten gestaucht. Da die Prognosen keine wesentliche Änderung für die folgenden zehn Tage zeigten, war nach Auslegung der modernen Siebenschläfer-Regel klar, dass in Mitteleuropa der Hochsommer von Westlagen geprägt wird und sich lange trockene Hitzephasen auf Osteuropa beschränken dürften. Tiefer Luftdruck im Norden und hoher im Süden, mit einem starken Azorenhoch, aber nicht so oft und ausdauernd nach Europa vorstossend wie 2015 – genau so präsentiert sich die gemittelte Luftdruckanalyse des Siebenschläfer-Zeitraums vom 27. Juni bis 14. August:
Bereits hier zeigt sich, dass die Siebenschläfer-Regel 2016 einmal mehr eindrücklich gepasst hat. Wir wollen uns aber nicht so schnell zufrieden geben und uns noch das eine oder andere Detail anschauen. Dabei hilft ein Blick in unseren Wetterlagenkalender. Hier zeigt sich, dass Westlagen mit 30 von 49 Tagen deutlich überrepräsentiert waren (dies entspricht 61.2 % statt der durchschnittlich ca. 30 % im langjährigen Mittel). Dass sich auch in einer dominanten zonalen Zirkulation gelegentlich andere Zirkulationsformen durchsetzen, ist völlig normal. Sie konnten sich aber in diesem Sommer nie lange halten, die längste Abwesenheit von Westlagen dauerte 15 Tage vom 10. bis 24. Juli. In dieser Phase kamen durchaus mal Zweifel auf, ob die Siebenschläfer-Regel in diesem Sommer recht behält. Immerhin ist sie für das südliche Mitteleuropa in 70 % aller Jahre zutreffend, kann also mal daneben liegen. Durch die rasch wechselnden Wetterlagen (mal Südwest, mal Nord, mal Süd, mal Hochdruck, keine länger als vier Tage bestehend), blieb es jedoch bei der prognostizierten wechselhaften Witterung. Es gab somit im ganzen Hochsommer keine länger anhaltende Schönwetterphase, keine dauerhafte Hitze und auch die Kaltlufteinbrüche waren nur von kurzer Dauer. Gerade die Abwesenheit von stabilen Hochdruckphasen hinterliess bei vielen den Eindruck eines “Unsommers”, insbesondere wenn man direkt mit dem Ausnahmesommer 2015 vergleicht, der vielen noch in recht frischer Erinnerung geblieben ist.
Um die Dominanz der Westlagen grafisch zu veranschaulichen, ist folgende Karte geeignet:
Hier ist die Abweichung des Westwindes im Vergleich zur Klimanormperiode 1981-2010 dargestellt. In den Gebieten mit grünen, gelben bis roten Markierungen war der Westwind über den gesamten Siebenschläfer-Zeitraum stärker als im langjährigen Schnitt, in den blauen Gebieten schwächer, was durchaus auch bedeuten kann dass statt Westwind häufiger andere Windrichtungen vorherrschten (z.B. nördlich der Tiefdruckgebiete zwischen Island und Lappland weht der im Gegenuhrzeigersinn ums Tief drehende Wind aus östlichen Richtungen). Die weit überdurchschnittliche Westwind-Dominanz von den Britischen Inseln über Norddeutschland/Dänemark bis zu Ostsee ist auffällig. Wer in diesen Regionen lebt und mit dem heurigen Hochsommer nicht zufrieden war, hat also ein gutes Recht dazu. Das bestätigt auch der Blick auf die Karte mit der Abweichung des gefallenen Niederschlags gegenüber dem langjährigen Mittel:
Zwar liegt auch der Alpenraum im Gebiet mit überdurchschnittlichem Regen, doch die Regionen mit einem deutlich zu nassen Sommer liegen weiter nördlich: Ostdeutschland bis Polen sowie weite Teile Skandinaviens waren sehr nass. Drei bis vier Millimeter Überschuss pro Tag ergeben auf den siebenwöchigen Zeitraum ein Plus von 150 bis 200 mm, das ist je nach Region die doppelte bis dreifache Menge eines “normalen” Hochsommers. Dass die weissen, also durchschnittlich beregneten Gebiete dazwischen mit überdurchschnittlicher Bewölkung, also Sonnenscheinmangel leben mussten, sei hier noch am Rande erwähnt. Deutlich trockener als im langjährigen Schnitt war es erwartungsgemäss im ohnehin sommertrockenen Osteuropa, insbesondere in der Ukraine. Von Galizien bis nach Frankreich hinein zeigt sich der häufige Einfluss des Azorenhochs, der nach Osten hin deutlich abnahm. Man erkennt auch die überdurchschnittlichen Regenmengen auf der Alpensüdseite, in Italien und auf dem Balkan, die durch die zwischenzeitlichen Troglagen besonders Mitte Juli zustande kamen.
Bleibt noch der Blick auf die Temperaturabweichung zum Mittel 1981-2010. Diesem Kriterium wird in Klimabilanzen ja meist das stärkste Gewicht beigemessen wenn es darum geht, einen Sommer zu kategorisieren. Wie wir weiter oben gesehen haben, sind aber andere Faktoren oft massgeblicher für den Gesamteindruck. Ein Westlagen-Sommer lässt wie prognostiziert durchschnittliche Temperaturen erwarten, somit ist folgendes Bild keine grosse Überraschung:
Hier haben wir unseren Durchschnittssommer in West- und Mitteleuropa schwarz auf weiss. Leicht unterkühlt im nördlichen Mitteleuropa, sonst aber unauffällig. Und ja, der prognostizierte Wärmeüberschuss in Osteuropa ist auch da. Der Siebenschläfer hat uns einmal mehr gezeigt, dass auf ihn mehr Verlass ist als auf die Karten des Langfristmodells CFS, das im Juli temperaturmässig völlig daneben lag und das nach aktuellem Stand auch im August keine Medaille abholen wird.
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