Dieser Dezember scheint nach dem Motto zu leben: Unsere wöchentliche Luftmassengrenze gib uns heute. Gleiche Prozedur wie letzten Freitag? Nicht ganz. Die Probleme, die wir letzte Woche mit der Bestimmung der Schneefallgrenze haben, übergeben wir diesmal unseren nördlichen Nachbarn. Für uns ist die Lage im aktuellen Fall eindeutiger. Wobei auch hier die Details spannend sein werden: Wann, wie, wo, wieviel wovon?

Stellt sich die Frage, ob wir nach den ganzen Kapriolen am Samstag noch mal solche Verhältnisse geniessen können (Gümligen, 3. Advent 2022)
Die Wind- und Druckverteilung in Europa sieht nicht viel anders aus als vor fünf Tagen:
Nach wie vor stecken wir in der GWL “südliche Westlage” (WS). Das Tiefdrucksystem über Skandinavien ist immer noch da und tangiert uns nur am Rande. Wichtig für uns sind die Tiefs, die vom Atlantik über Mitteleuropa nach Osten ziehen. Letzten Freitag stand das “T” noch genau über den Alpen, diesmal mitten über Deutschland. Ein kleiner, aber feiner Unterschied: Am Südrand des Tiefs liegt der Warmsektor, und der erwischt die Alpen sowie die Alpennordseite diesmal mit voller Breitseite. Über die genaue Zugbahn und somit wie weit die Warmluft nach Norden ausgreift, sind sich die Modelle aber auch 24 Stunden vor dem Ereignis noch nicht einig (oben das französische, unten das deutsche Modell für Mittwochmittag):
In Nord-Süd-Ausrichtung liegt die Berechnung des Tiefkerns nur etwa 50 km auseinander und das deutsche Modell lässt das Tief etwa eine Stunde früher durchziehen. Das klingt nach wenig, bei einer derart scharfen Luftmassengrenze ist das aber für jeden Ort südlich des Tiefs entscheidend. Man achte darauf, wo sich die 24-Grad-Isotherme bei den beiden Modellen befindet. Das ist die theoretische Schneefallgrenze von 1000 m, die etwa überschritten werden muss, damit genügend Schmelzzone zwischen oberer Nullgradgrenze und der bodennahen Kaltluftschicht vorhanden ist. Also ungefähr nördlich dieser Isotherme wird es wahrscheinlich bei Schneefall bleiben, südlich davon geht er in die flüssige Phase über.
Auch für die Alpen haben diese Unterschiede Auswirkungen: Beim französischen Modell setzt sich die Erwärmung trotz langsamerer Tiefverlagerung rascher durch als beim deutschen Modell. Bei nördlicherer Zugbahn kommt mehr Warmluft bei uns an, die Schneefallgrenze steigt etwa 200-300 Meter höher und kommt über der gesamten Schweiz bei etwa 1800 m zu liegen, während sie beim deutschen Modell nur in der Westschweiz so hoch steigt, weiter östlich sind es da nur etwa 1500 Meter. Für die Flachlandbewohner, die am Morgen oder Vormittag raus müssen, ist es weniger von Belang, denn regnen wird es so oder so – und gefrieren am Boden auch. Und da es für eine gefährliche Glatteislage nur kleine Regenmengen braucht, muss man sich auch nicht über die modellierten Niederschlagsintensitäten den Kopf zerbrechen: 1-2 Millimeter pro Stunde reichen aus, um ein Chaos zu veranstalten. Viel interessanter ist die Frage, wie rasch sich der warme Südwestwind am Boden durchsetzt und die Lage entschärft (wobei es bei knappen Plusgraden dann doch auch noch eine Weile dauert, bis auch die Böden wärmer werden):
Auch beim optimistischeren Modell sieht man, dass die blauen Flecken am Mittag in den tiefsten Lagen nicht verschwinden, “grün” wird es nur in erhöhten Lagen, wo der milde Südwestwind besser greift. Am Jurasüdfuss, aber insbesondere entlang des Hochrheins bleiben die Temperaturen sogar auch noch den ganzen Nachmittag kritisch. Und am Abend soll von Norden her bereits wieder kältere Luft durch den Oberrheingraben einfliessen. Gut möglich also, dass es in Basel bereits am späten Mittwochabend wieder schneit.
Die Unsicherheit bezüglich Zugbahn und -geschwindigkeit des Tiefs macht sich dann in der Nacht zum Donnerstag bemerkbar: Dank nördlicherer Luftmassengrenze soll es nach dem französischen Modell eine frühere Niederschlagspause geben, während es nach dem deutschen Modell auch im Mittelland noch länger regnet, Schneefallgrenze immer noch um 1500 m. Weitgehend trocken soll es nach beiden Modellen in den Alpen bleiben. Einigkeit herrscht derzeit darüber, dass es am Donnerstag tagsüber trocken bleiben soll. Dabei kann es vor allem in den föhnigen Gebieten des östlichen Alpennordhangs und inneralpin zeitweise sonnig werden, über dem Mittelland hält sich wahrscheinlich etwas zähere, hochnebelartige Restbewölkung.
Am Donnerstagabend geschieht dann etwas Spannendes: Ein neues Tief soll wieder genau über die Alpen (oder ganz knapp südlich davon) von West nach Ost ziehen:
Dieses Tief saugt in den unteren Luftschichten die nördlich von uns lagernde Kaltluft an, es kommt Bise auf. Gleichzeitig führt das Tief aber auch feuchtere Luft aus Südwesten heran – es entsteht eine Gegenstromlage. Irgendwann am Donnerstagabend setzt also neuer Niederschlag ein, der sich mit dem Auffüllen des Kaltluftpolsters auf der Alpennordseite verstärkt und bald bis in die tiefsten Lagen in Schneefall übergeht. In der Nordwesthälfte der Schweiz ist der Schneefall in den frühen Morgenstunden des Freitags am stärksten, in der Ostschweiz wohl erst über Mittag bis in den Nachmittag hinein. Wie rasch es dann von Westen her abtrocknet, liegt drei Tage vor dem fraglichen Termin naturgemäss noch in einem gewissen Unschärfebereich. Es ist aber damit zu rechnen, dass in den östlichen Landesteilen auch am Samstagmorgen noch letzte Flocken fallen, während es im Westen schon in der Nacht teilweise aufklart und wieder eisig wird – gewisse Parallelen zum Verlauf letzter Woche sind also nicht von der Hand zu weisen und grob über den Daumen gepeilt dürften am Samstag im Mittelland wieder 5-10 cm Schnee liegen, die über das Wochenende konserviert werden.
Das Hoch, das sich am Wochenende über Mitteleuropa aufbaut, wird in der Folge rasch von einem gewaltigen Tief im Westen bedrängt. Zwischen den beiden Druckzentren kommt eine milde Südwestlage auf. Wie rasch sich diese am Anfang der neuen Woche auch in den Niederungen bemerkbar macht und wie lange dieses vorgezogene Weihnachtstauwetter anhält, sind die nächsten interessanten Fragen, die es dann zu wälzen gilt:
Für die Feiertage ist also noch alles offen. Wer wissen möchte, wie sich das Langfristmodell CFS für den Weihnachtstag entwickelt, kann dies täglich auf der Startseite unter dem Wetterbericht mitverfolgen.
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