Das Wetter sorgt eben – zumindest manchmal – doch für ausgleichende Gerechtigkeit. Noch vor einem Monat war von einem sommerlichen Norden und einem eher kühlen Süden die Rede, nun haben sich die Verhältnisse wieder “normalisiert”. Allerdings derart, dass der Juli eben doch wieder vielerorts aus der Norm fiel: In Nordeuropa wurde wieder mal ein deutlich zu kühler Monat registriert, was sich bis ins nördliche Mitteleuropa spüren liess. Im südlichen Mitteleuropa wunderte man sich hingegen lange über angenehme Wärme und die ausbleibende Hitze, die in den letzten Jahren zur neuen Normalität wurde – um dann zum Monatsende doch noch zuzuschlagen.

An manchen Tagen präsentierte sich dieser Juli herbstlich – was nachts den Beobachtern des Kometen Neowise zugute kam (Bildquelle und interaktive Zeitreihe)
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den Juli, erstellt am 30. Juni, lautete wie folgt:
Die Mehrheit der Läufe der letzten drei Tage zeigt ein eindeutiges Muster: Mitteleuropa kommt unter eine positive Hochdruckanomalie zu liegen, die sich in west-östlicher Richtung über den Kontinent erstreckt. Diese Anomalie ist allerdings mit einer Abweichung des Bodendrucks zum langjährigen Mittel von 2 hPa in seinem Zentrum über Westeuropa nicht allzu stark ausgeprägt. Gegenspieler ist eine negative Druckanomalie, die sich von der Südspitze Grönlands ebenfalls in West-Ost-Ausrichtung über Island und Skandinavien nach Russland erstreckt. Dieses zonale Muster bewirkt, dass Westlagen dominieren: Aufgrund der leichten Hochdruckanomalie dürfte die Grosswetterlage West antizyklonal die Hauptrolle spielen, oder es findet ein Wechsel zwischen West zyklonal, West antizyklonal und Hochdruckbrücke Mitteleuropa statt. Eine schwache Tiefdruckanomalie über dem zentralen Mittelmeer lässt vermuten, dass die Westlage aber nicht über den ganzen Monat hinweg durchregiert, sondern der Jetstream durchaus auch mal schlingert und sich mittels Trog West- oder Mitteleuropa ein abtropfendes Tief nach Süden schmuggelt, hinter dem sich die Hochdruckbrücke wieder schliesst.
Temperaturmässig resultiert aus dieser Druckkonstellation in Mitteleuropa ein durchschnittlicher Juli, wobei im südlichen Mitteleuropa die Abweichung zur Klimanorm 1981-2010 um etwa ein Grad ins Plus, in Norddeutschland ein Grad ins Minus tendiert. Wer es also gerne etwas wärmer mag, macht in diesem Juli besser Urlaub am Bodensee statt an der Nord- oder Ostsee. Nordeuropa unter dem Westwindgürtel sieht noch etwas deutlicher unterkühlt aus, ebenso der zentrale und östliche Mittelmeerraum, während Portugal ein heisser Tipp sein dürfte.
Die Tendenz zu eher hochdruckbestimmtem Wetter zeigt sich darin, dass für das Flachland Mitteleuropas unterdurchschnittliche Regenmengen gerechnet werden, während sich in den Gebirgen von den Pyrenäen über die Alpen bis zu den Karpaten ein gewitterbedingtes Plus abzeichnet. Für das nördliche Mitteleuropa bedeutet dies oft trockenes, vielfach auch sonniges, aber durch kühlen Wind vom Atlantik her nur mässig warmes Wetter. Längere sehr trockene Hitzewellen wie in den letzten beiden Sommern sind eher nicht zu erwarten. Zu nass wird dieser Juli von Schottland und Island bis Norwegen. Auch am Mittelmeer verläuft der Juli untypisch nass, wobei da ein oder zwei kräftige Gewitter bereits reichen, um das langjährige Mittel um mehr als das Doppelte zu übertreffen.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Geopotenzials in rund 5500 m gegenüber dem langjährigen Mittel:
Das zonale Zirkulationsmuster wurde sehr gut erkannt. Das Hoch etwas südwestlicher, daher die Brücke über Mitteleuropa etwas schwächer und dadurch wiederum der Tiefdruckeinfluss aus Norden stärker, was vor allem Norddeutschland, aber auch zeitweise der Osten Österreichs zu spüren bekam.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur in rund 1500 m Höhe zur Klimanormperiode 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Die Verteilung der Temperaturanomalien wurde sehr gut getroffen, insbesondere deren Position. Die Wärme in Südwesteuropa war ausgedehnter als prognostiziert, aber im Zentrum vom Betrag her richtig gerechnet. Durch den häufigeren Tiefdruckeinfluss von Norden her war der Temperaturgradient in Mitteleuropa schärfer als erwartet, was sich in der Bodentemperaturkarte noch deutlicher manifestiert:
Der äusserste Norden Deutschlands deutlich unterkühlt, in der Schweiz noch anständig zu warm, dazwischen eine breite Zone mit durchschnittlichen Temperaturen – was alles sehr gut mit der Sonnenscheinverteilung, nicht aber mit der Niederschlagsverteilung korreliert. Die erwarteten Kaltluftausbrüche tropften östlicher ab als erwartet und gingen Richtung Balkan und östliches Mittelmeer.
Das zonale Muster mit der Schwäche der Hochdruckbrücke über dem östlichen Mitteleuropa ist auch gut in der Niederschlagskarte zu erkennen:
Im Flachland Mitteleuropas wie erwartet vielerorts zu trocken – in Südwestdeutschland, in Ostfrankreich und in der Nordschweiz teilweise sogar extrem: In diesen Regionen gab es Stationen mit Niederschlagssummen im einstelligen Bereich, was sich deutlich in einer vertrockneten Landschaft zeigt. Teile der Alpen und der Alpensüdseite wurden hingegen gut gewässert, ohne dass es zu nennenswerten Schäden kam. Für eine genauere regionale Auflösung verweisen wir wie immer auf die viel genaueren Karten der Landeswetterdienste: (Schweiz, Deutschland, Österreich).
Viel West, etwas Nordwest und zwischendurch Brücke Mitteleuropa – die Bilanz der Grosswetterlagen fällt genau so aus, wie sie erwartet wurde. Einmal mehr hat sich die Macht einer modern ausgelegten Siebenschläfer-Regel zumindest für den Juli deutlich manifestiert. Trockene und feuchte Tage hielten sich auf der Alpennordseite in etwa die Waage, wobei dieser Gesamtschnitt all die regionalen Unterschiede zwischen Bern, Linz, Nürnberg und Karlsruhe nicht berücksichtigen kann. Das gilt auch für das nördliche Mitteleuropa, für das eine entsprechende Analyse völlig anders aussehen würde. Wie so oft im Hochsommer fehlt der Witterungstyp trocken-kalt gänzlich, obwohl manche Tage sehr frisch starteten. Da sehr kühle Nächte im Hochsommer kurz sind und nur durch Wolkenarmut zustande kommen, gleicht intensiver Sonnenschein tagsüber das Tagesmittel aus. Solche Tage landen dann logischerweise im gelben Sektor.
Die Langfristprognose für den August findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
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