“Ist’s an Lichtmess hell und rein, wird ein langer Winter sein. Wenn es aber stürmt und schneit, ist der Frühling nicht mehr weit.” Auch in diesem Jahr wollen wir uns mit der alten Wetterregel, bzw. deren Aussagekraft für das mögliche Ende des Winters 2017 auseinandersetzen. Die Geschichte und die generellen Auslegungsregeln haben wir in den vergangenen Jahren bereits öfters dargelegt, wer diese nachlesen möchte, findet sie einfach in der Sichtwortliste rechts unter dem Punkt “Lichtmess”. Wie gewohnt schauen wir uns für eine moderne Auslegung der Wetterregel nicht nur das Wetter am heutigen Tag an, sondern die Entwicklung von Ende Januar bis ins erste Februardrittel. Und da bietet uns die europäische Wetterküche derzeit viel Spannung.
Beginnen wir mit der Vorgeschichte: Vor allem die südlichen Teile Mitteleuropas sowie Osteuropa erlebten einen eisigen Januar, in Südosteuropa war auch bereits der Dezember aussergewöhnlich kalt. Demgegenüber war es in West- und besonders Nordeuropa sehr mild. Verursacht wurden diese Gegensätze durch häufige Hochdruckgebiete über Mitteleuropa. Die milden atlantischen Luftmassen wurden durch das blockierende Hoch nach Norden gezwungen und verhinderten so ein Auskühlen des ohnehin sehr milden Europäischen Nordmeeres. So ist Spitzbergen weiterhin eisfrei und die Wassertemperatur beträgt nördlich von Skandinavien immer noch unglaubliche 5 bis 8 Grad:
Der atlantische Tiefdruckmotor war zwar zu schwach, um den europäischen Hochs den Marsch zu blasen, jedoch stark genug, um fortlaufend subtropische Luftmassen weit nach Norden in die Arktis zu verfrachten. Über dem Scheitel des Hochs wird diese Luftmasse, welche über dem Nordmeer nur ungenügend abkühlen konnte, über Skandinavien nach Nordwestrussland geführt. Nun sollte man meinen, dass diese Subtropikluft dort zu einem markanten Tauwetter führen würde. Doch schaut mal, was mit dieser warmen Luftmasse in diesen Tagen über Nordwestrussland geschieht:
Je weiter die Luft in den Kontinent vordringt, umso rascher kühlt sie aus. Über den weiten schneebedeckten Gebieten bei nahezu null Sonneneinstrahlung wird die ehemals subtropische Luft innert Kürze in eine kontinentale Kaltluftmasse verwandelt. Mit der Warmluft und dem Schnee in Osteuropa verhält es sich so wie mit dem Honigbrot: Versuchen Sie mal, den Honig vom Brot zu pusten – das Ergebnis wird ungefähr dasselbe sein. Erst wenn Sie warmes Wasser (= Regen) über den Honig laufen lassen, wird sich der Honig allmählich verflüssigen. Und selbst das benötigt seine Zeit.
Atlantische oder mediterrane Warmluftvorstösse haben also derzeit – anders als in den letzten drei schneearmen Wintern – in Osteuropa einen schweren Stand. Ein erster Versuch zum Monatswechsel hat zwar den westlichen Teilen Mitteleuropas Tauwetter gebracht, doch je weiter die Fronten nach Osten vordringen, umso mehr verpufft deren Energie. Bereits über der Osthälfte Österreichs hatte die Warmluft den bodennahen Kaltluftmassen nichts mehr entgegenzusetzen: Wo der Niederschlag nicht als Schnee fiel, kam er in Form von Eiskörnern oder als gefrierender Regen runter. Weite Teile Mittel-Osteuropas wurden somit in den letzten Tagen mit einem Eispanzer überzogen, der die Schneedecke noch besser konserviert. Streicht nun milde Luft über die weiten Schneedecken, bildet sich sofort Nebel, und dieser wiederum verhindert die Erwärmung durch weitere Einschränkung der ohnehin noch schwachen Sonneneinstrahlung. Noch weiter östlich kommt die Luft dann bereits trocken genug an, damit die Nächte klar bleiben und die Auskühlung noch effizienter vonstatten geht. Die Kaltluftproduktion in Osteuropa läuft also weiter, während vom Atlantik her weitere Warmluftvorstösse erfolgen. Nächste Woche sieht die Lage dann so aus:
Bereits am Wochenende tropft von einem Tiefdruckvorstoss nach Mitteleuropa ein Teiltief in Richtung Mittelmeer ab, da ihm der Weg nach Skandinavien oder Osteuropa vom sich dort bildenden Hoch versperrt wird. Folge davon ist ein sogenanntes Viererdruckfeld, eine Situation, die in den Wintermonaten gar nicht so selten vorkommt: Im Norden werden die atlantischen Tiefs vom mächtigen Kontinentalhoch über Nordeuropa blockiert, während sich im Süden das Azorenhoch und das abgetropfte Tief im Mittelmeerraum in Schach halten. Während diese Druckgebilde also “Vier gewinnt” spielen, liegt Mitteleuropa in deren Sattelpunkt oder im Niemandsland. Einen Ausweg aus dieser verfahrenen Situation gibt es erst, wenn sich eines der vier Druckzentren auflöst – und das kann dauern. Denn die Voraussetzungen (Temperaturgegensätze über dem Nordatlantik, bodennahe Kaltluftproduktion über dem Kontinent, Höhenkaltluft über dem warmen Wasser des Mittelmeers) sorgen dafür, dass sich diese Systeme laufend selbst erhalten können. Dann entscheiden nur kleine Details darüber, welche Luftmasse in der Kampfzone Mitteleuropa ein wenig Terrain gewinnt. Das Patt zwischen Winter und Frühling dürfte damit für einige Zeit eingemauert sein.
Die Ensemble-Prognosen des amerikanischen Wettermodells GFS verdeutlichen das Problem:
Am Gitterpunkt Stuttgart halten sich warme und kalte Läufe um den 10. Februar herum die Waage. Die Chancen, dass sich milder Westwind oder kalter Ostwind durchsetzt, liegen ziemlich genau bei 50 : 50. Anzumerken ist, dass sich dies bei relativ trockener Witterung abspielt, zu erkennen an den geringen Niederschlagssignalen am Boden der Grafik. Auch können die dargestellten Temperaturen in einer Höhe von rund 1400 m für die Bodentemperaturen trügerisch sein, da warme Luft auf die Kaltluft aufgleitet, bzw. sich von Osten her bodennahe Kaltluft unter die Warmluft in der Höhe schieben dürfte. Die entsprechenden Grafiken für den Osten (Berlin, Wien) zeigen mehr kalte Läufe, jene für den Westen (Genf, Essen) sind eher auf der milden Seite. Um auf die Lichtmess-Regel zurückzukommen: Der Frühling ist im Westen in der Tat nicht mehr weit, er muss sich allerdings noch etwas gedulden, so lange ihm der Winter im Osten die Tür zuhält.