Die erste Julihälfte 2015 hat im Südwesten Mitteleuropas alle bisherigen Rekorde gebrochen. Nicht nur wurden an zahlreichen Messstationen die höchsten jemals gemessenen Temperaturwerte registriert (z.B. 39.7 C in Genf am 7. Juli), auch die Trockenheit ist bemerkenswert: Vielerorts hat es seit dem 23. Juni keinen nennenswerten Niederschlag mehr gegeben. Rund um den Genfersee fiel in den vergangenen 23 Tagen kein einziger Tropfen Regen, und Besserung ist vorerst nicht in Sicht. Zusammen mit der Hitze und dem häufig wehenden Wind, der zusätzlich die Böden austrocknet, stellt dieser Witterungsabschnitt eine erhebliche Belastung für die Natur dar. Wir haben am 14. Juli die Situation zwischen Genfer- und Neuenburgersee dokumentiert (siehe Bildstrecke am Ende des Artikels).
Als die Hitzewelle Anfang Juli ihren Höhepunkt erreichte, hörte man auf allen Kanälen Beschwichtigungen: Nein, mit dem Sommer 2003 sei die aktuelle Situation nicht vergleichbar. Wir stimmen heute zu: Sie ist mancherorts viel schlimmer – und sollte nicht bald ergiebiger Landregen fallen, wird dieser Zustand auch flächendeckend die Ausmasse von 2003 überschreiten. Nicht nur, dass in einigen Regionen (insbesondere in der Westschweiz) die Rekordtemperaturen von 2003 überschritten wurden, nein auch die Trockenheit ist inzwischen auf Rekordkurs. Mit 23 Tagen ohne Niederschlag (und es werden noch etliche folgen) wurde die niederschlagsfreie Phase der ersten Augusthälfte 2003 inzwischen um mehr als eine Woche übertroffen. Der Teufelskreis von mangelndem Niederschlag, austrocknenden Böden und somit fehlender Feuchtigkeitsabgabe der Vegetation an die Luft dreht sich immer schneller: Die von den Wettermodellen errechneten Tageshöchstwerte werden derzeit fast täglich um 2 bis 3 Grad übertroffen. Hitzegewitter bilden sich mangels Feuchtequellen aus der Grundschicht selbst über dem Jura und den Voralpen keine mehr und beschränken sich auf stark eingegrenzte Gebiete der Hochalpen, wo Schnee- und Gletscherschmelze noch hier und da etwas Feuchtigkeit liefern. Damit die Trockenheit beendet werden kann, sind wir also auf die Zufuhr feuchter Luftmassen vom Atlantik oder dem Mittelmeer angewiesen. Gleichzeitig sollte aber auch mal der Hochdruck die Rolle des Spielverderbers aufgeben, und genau das ist auf absehbare Zeit nicht zu erwarten. Abgeschwächte Fronten bringen nur geringe und keine flächendeckenden Niederschläge. Heftige Gewitterregen sind wiederum wenig hilfreich, da die harten Böden grössere Wassermengen in kurzer Zeit nicht aufzunehmen vermögen. Stattdessen würden Bodenerosion und rasch anschwellende Bäche mit warmem und mit Sedimenten angereichertem Wasser die Natur noch zusätzlich belasten.
Die Ensembles von Genf zeigen, wie schwierig der Ausweg aus der Situation ist: Bis zum 24. Juli werden sehr warme bis heisse Tage recht einhellig gerechnet (obere Rauchfahne stetig über dem dicken roten Klimamittel, Temperaturen in rund 1500 m Höhe auf der linken Skala, Zuschlag für Tageshöchsttemperatur in den Niederungen je nach Höhenlage 10 bis 15 Grad). Die Niederschlagssignale am unteren Rand der Grafik sind vorerst vernachlässigbar (rechte Skala, 6-Std-Summen in mm). Die Abkühlung und die Niederschläge im Prognosezeitraum von 8 bis 10 Tagen wurden schon vor Wochenfrist immer wieder gezeigt und nach hinten verschoben: Atlantische Fronten ziehen entweder nördlicher vorbei oder kommen nur in sehr abgeschwächter Form bei uns an und bringen allenfalls den Alpen etwas Niederschlag. Es wäre daher nicht erstaunlich, wenn auch der Unsicherheitsbereich zum Monatsende hin schlussendlich im oberen Bereich der Streuung zu liegen kommen würde. Bestätigt wird diese Annahme, wenn man im Glaskugelbereich die Ensemble-Rechnungen des Höhendruckfeldes betrachtet:
Die schwarzen Linien verraten uns, dass im Mittel aller Läufe ein Trog westlich von uns gerechnet wird. Dies bedeutet südwestliche bis südliche Anströmung, deren Auswirkung im Hochsommer wohl nicht weiterer Erläuterung bedarf. Blau bis grün eingefärbte Bereiche zeigen uns, wo die Prognose relativ sicher ist. Der blockierende Hochdruck über Südosteuropa wird also kaum beseitigt werden. Einzig die Stärke der Austrogung über Westeuropa ist recht unsicher (gelber bis roter Bereich). Sollte sich also keine Troglage über Westeuropa ausbilden, so bliebe es beim Status Quo: antizyklonale West- bis Südwestlage mit recht scharfen Temperaturgegensätzen zwischen Norden und Süden, wobei der Alpenraum unter Hochdruckeinfluss und in der wärmeren Luftmasse verbleiben dürfte.
Ein paar fotografische Eindrücke aus dem Juli 2015 (Galerie öffnet sich beim Klick ins Bild):