Der Absturz vom Spätsommer direkt in den Vollherbst war brutal – ob der Altweibersommer doch noch eine Chance hat? In dieser Woche garantiert noch nicht, so viel sei schon mal verraten. Stattdessen bekommen wir so etwas wie den ersten Herbststurm. Jedenfalls ist die Wetterlage für die ehemals statistisch beste Zeit für Hochdrucklagen extrem dynamisch – wie meistens in den letzten Jahren zum Monatswechsel September/Oktober. Die letzte richtige Altweibersommer-Lage war 2011 – die Singularitäten haben sich eindeutig verschoben.
Der Blick auf die grossräumige Druck- und Windverteilung in rund 5500 m Höhe zeigt, dass ganz Europa unter Tiefdruckeinfluss steht. Das steuernde Tief ist vom Nordmeer her runtergeplumpst und fühlt sich jetzt bei uns wohl, folglich Grosswetterlage Tief Mitteleuropa:
Wobei der Alpenraum am Südrand des Tiefs und somit in einer zügigen Westströmung liegt, die allerdings maritime Polarluft aus Grönland herbeiführt. Da wir inzwischen gelernt haben, dass im neuen Klima grossräumige Strömungsmuster gefühlt ewig dauern können, wird sich daran auch so schnell nichts ändern. Erst im Lauf der nächsten Woche scheint sich nach einigen Modellen mal Hochdruckwetter durchsetzen zu wollen. Diese Rechnungen stehen zum heutigen Zeitpunkt allerdings auf einer wackligen Basis, da andere Modelle die Erhaltungsneigung stützen. Doch wenden wir uns zunächst der Kurzfrist zu:
Süddeutschland und die Schweiz liegen im Bereich einer schleifenden Luftmassengrenze. Am Dienstag gewinnt vorübergehend Kaltluft die Oberhand, kann allerdings nicht so richtig in die Alpen eindringen, sodass die ursprünglich tief gerechnete Schneefallgrenze von unter 1500 m ein kurzfristiges Randphänomen von Jura, Schwarzwald und östlichen Voralpen bleibt. Obige Karte zeigt, wie bereits am Mittwochmorgen im Gefolge eines kleinen Randtiefs ein neuer Warmsektor auf die Schweiz überzugreifen versucht, was die Schneefallgrenze vor allem in den südlichen und westlichen Landesteilen rasch gegen 2500 m ansteigen lässt. Dies gelingt umso besser, da auch der Südwestwind in erhöhten Lagen stürmisch wird. Dauerregen wird die Böigkeit in den Niederungen wahrscheinlich etwas bremsen, regional mit Kanalisierungseffekten z.B. in Juranähe oder in einigen Tälern kann es aber durchaus zu Sturmböen kommen. Das Hauptaugenmerk liegt allerdings auf dem ergiebigen Niederschlag:
Besonders hervorheben tun sich Schwarzwald, Jura und Alpennordhang, aber auch im Mittelland sind strichweise über 50 mm möglich. Wobei dieses Modell hier noch relativ defensiv rechnet, Arome ist da wesentlich grosszügiger. Da die hohe Schneefallgrenze gleich noch den Schnee der letzten Tage in den höheren Mittelgebirgen mit runterspült, liegt ein leichtes bis mittleres Hochwasserereignis durchaus in Reichweite. Das ist aber noch nicht alles: An der Luftmassengrenze, die am Mittwochnachmittag mitten durchs Mittelland verläuft, sind Dynamik und Labilität (nach Arome 26 Grad Differenz zwischen 850 und 500 hPa) ausreichend, um Gewitter auszulösen. Diese werden wahrscheinlich entlang der schleifenden Front auftreten, wo Südwest- und Nordwestwinde konvergieren:
Man erkennt im Nordwesten die erneute Annäherung der polaren Luftmasse, sodass am Donnerstagmorgen die Schneefallgrenze wieder gegen 1500 Meter sinkt. Allerdings nicht inneralpin, da der Wind in der Höhe bereits am frühen Donnerstag wieder auf Südwest zurückdreht. Was das bedeutet, kann man sich leicht ausmalen: Die schleifende Luftmassengrenze bleibt über uns liegen und es regnet munter weiter, wenn auch nicht mehr so intensiv wie am Mittwoch. Die östlichen Alpen kommen dabei vorübergehend etwas in den Genuss leichten Föhneffekts, hier ist es also am ehesten mal länger trocken.
Am Freitag könnte sich das Wetter mal etwas beruhigen. Konjunktiv, weil wir aus optimistischer Sicht in schwachen Zwischenhocheinfluss geraten, Pessimisten würden es hingegen als Niemandsland zwischen dem etwas nach Nordosten verlagernden Zentraltief und einem CutOff Richtung Süden bezeichnen:
Da der genaue Zeitpunkt und geographische Bereich des Abtropfprozesses noch nicht ganz feststeht (manche Modelle rechnen ihn etwas östlicher als oben gezeigt und somit genau über unseren Köpfen), muss man hinter den Ablauf des Freitagswetters noch ein ganz dickes Fragezeichen setzen. Für weitere Spannung sorgt dann auch das, was wir bereits am Westrand der Karte sehen: Zwischen einem kräftigen Tief über dem Nordatlantik und dem Azorenhoch stellt sich nach langer Zeit wieder mal eine Westlage ein, die sich (Vorsicht: Konjunktiv!) mal bis zu uns durchsetzen könnte. Für besondere Verwirrung sorgt dabei ein Randtief, das nach ICON-EU und EZMWF in der Nacht zum Sonntag über Norddeutschland, nach GFS hingegen als Tiefdruckwelle viel südlicher durchziehen soll. Der Unterschied liegt vereinfacht gesagt darin, dass bei nördlicherer Zugbahn der Samstag bei uns recht freundlich und warm wird und es erst am Sonntag wieder ordentlich runterkübelt, während bei südlicherer Zugbahn beide Tage verregnet werden. So oder so, ordentlich Wind wird dabei ohnehin gemacht, am meisten logischerweise bei GFS:
Für den Jura und die Nordschweiz wäre das der erste richtige Herbststurm der Saison, allerdings bleibt da noch abzuwarten, welches Szenario sich durchsetzen wird. Jedenfalls rauscht spätestens am Sonntag die vorerst letzte Kaltfront durch. Wie rasch und wie nachhaltig sich dahinter der Hochdruck aufbaut, ist allerdings ebenfalls noch völlig offen:
Die Streuung ist umso grösser, je weiter man nach Osten geht. Im Westen ist Hochdruckeinfluss recht gesichert, allerdings ist nicht klar, ob das Hoch westlich von uns nach Norden aufsteilt und sich somit eine Nordlage ergibt, oder ob sich das Hoch über Mitteleuropa festsetzen kann. Dies entscheidet darüber, ob es im Lauf der nächsten Woche auch im Osten wärmer wird und vor allem auch trocken bleibt. Zwei Modelle rechnen Mitte der nächsten Woche bereits den nächsten Trogvorstoss aus Norden, es ist also derzeit völlig offen, ob der Altweibersommer doch noch vorbeischaut.
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Microwave am 28. September 2022 um 07:56 Uhr
Mensch nochmal, das hat jetzt vielleicht gedauert! Aber jetzt endlich schifft es doch wieder mal ein bisschen =) Mal schauen, wie es wird heute nachmittag 🙂 Grüsse – Microwave