Die einzige Grosswetterlage, die nicht mindestens drei Tage am Stück aufweisen muss, ist demzufolge gar keine eigentliche GWL: Unbestimmt oder Übergang kommt immer dann zum Einsatz, wenn eine Wetterlage entweder bei aller Fantasie und Kreativität keiner GWL zugeordnet werden kann oder wenn ein einzelner Tag zwischen zwei Grosswetterlagen zwar das Muster einer eigenständigen GWL aufweisen würde, aber die erforderliche Mindestdauer von drei Tagen nicht erreicht.

Flache Druckverteilung in Mitteleuropa, keine Fronten, keine steuernden Druckgebiete in der Nähe: Für solche Situationen müsste man eine neue GWL erfinden: Sumpf Mitteleuropa (SM). Stattdessen behilft man sich mit „Unbestimmt“ (Orientierungshilfe: roter Punkt = Basel)
Beschreibung
Unbestimmt (U): Die Druckverteilung über Mitteleuropa ist flach und steuernde Druckgebiete sind so weit entfernt, dass sie auf uns keinen wesentlichen Einfluss ausüben. Eine besondere Variante ist das Viererdruckfeld, in dessen Zentrum sich Mitteleuropa befindet, wobei keines der Druckgebiete die Überhand gewinnt.
Übergang (Ü): Zwischen zwei Grosswetterlagen weist ein einzelner Tag, in seltenen Fällen zwei Tage zwar die Eigenschaften einer eigenständigen GWL auf, die weder der vorhergehenden, noch der nachfolgenden GWL zugeordnet werden können, ohne das System grausam zu vergewaltigen. Da die Definition einer Grosswetterlage festlegt, dass eine solche mindestens drei Tage dauern muss, behilft man sich mit der Klassifizierung „Übergang“.
Zuordnung
Grosswettertyp (GWT): –
Zirkulationsform (ZF): –
Klimaregime: Unbestimmt oder Übergang kann in allen Klimaregimen auftreten (NAO+, NAO-, Atlantischer Rücken, Block) oder keinem Klimaregime zugeordnet werden
Verwandte GWL: –
Statistik
häufigstes Auftreten im Zeitraum 2001-2024 (nach FM): September 2.22 %
häufigstes Auftreten im Zeitraum 1881-2008 (nach DWD): Juni 1.35 %
seltenstes Auftreten im Zeitraum 2001-2024 (nach FM): März 0.54 %
seltenstes Auftreten im Zeitraum 1881-2008 (nach DWD): Januar 0.38 %
Häufigkeit Gesamtjahr im Zeitraum 2001-2024: 1.14 %, Veränderung gegenüber 1881-2008: +0.24 Prozentpunkte
Rang Häufigkeit aller GWL: 1881-2008 Rang 29, 2001-2024 Rang 25 (Rangverschiebung: +4)
längste ununterbrochene GWL U: nach DWD 3 Tage vom 13. bis 15. Mai 1971, vom 13. bis 15. Juni 1934 und 18. bis 20. Juni 1973, nach FM seit 1991 maximal 2 Tage
Die unbestimmten Tage sind insgesamt recht homogen übers Jahr verteilt. In der langfristigen Statistik ist ein leicht erhöhtes Auftreten im Früh- und Spätsommer zu erkennen, was auf die dann etwas gehäufter auftretenden Barosumpf-Lagen zurückzuführen ist. So sind auch die meisten zwei- bis dreitägigen Unbestimmt-Lagen im Mai und Juni zu finden.
Eine auffällige Lücke von 1994 bis 2006 mit sechs Jahren ohne und dem Rest mit einem oder nur zwei Tagen liess den Verdacht aufkommen, dass es eine Praxisänderung bei der GWL-Bestimmung durch den DWD gegeben haben muss. Dieser Verdacht war der Anstoss, die Klassifikation nach eigenen, durchgängig konsistenten Kriterien vorzunehmen. Und siehe da: Einzelne schwache Jahre gibt es zwar noch, sie sind aber viel seltener und im Schnitt haben wir vier bis fünf, maximal sieben Tage pro Jahr, die keiner GWL zugeordnet werden können. Der krampfhafte Zwang, U und Ü zu vermeiden, führt nur dazu, dass unsinnige Zuordnungen zur vorhergehenden oder nachfolgenden Wetterlage vorgenommen werden. Trotzdem sollte U und Ü nur eine Notlösung sein.
Witterung
Da Übergangswetterlagen oder flache Druckverteilungen ohne eindeutige Luftmassenbewegungen in sehr vielen verschiedenen Varianten auftreten können, ist ein überwiegender Witterungscharakter nicht zu eruieren. Am ehesten charakterisiert werden können die sogenannten Barosumpflagen im Sommer (siehe Titelkarte): Sie sind meist geprägt von Schwüle und starkem Tagesgang mit Schauern und Gewittern, die schwerpunktmässig über dem Relief auftreten, bei ausreichender Labilität aber auch durch lokale Konvergenzen im Flachland ausgelöst werden können.
Typische Beispiele
Viererdruckfeld (Klick ins Bild öffnet grössere Ansicht):
Ein Sonderfall für „Unbestimmt“ oder „Übergang“ ist das Viererdruckfeld. Mitteleuropa befindet sich genau zwischen zwei Hochs im Südwesten und Nordosten sowie zwei Tiefs im Nordwesten und Südosten, die sich gegenseitig neutralisieren. Bei uns ist die Druckverteilung eher flach mit einem kleinen Tief über Norddeutschland, ein Residuum der vorhergehenden GWL Tief Britische Inseln, das in Auflösung begriffen ist. Gewonnen hat schlussendlich das unscheinbarste der vier Druckgebilde, nämlich das Hoch im Südwesten. Ab dem Folgetag konnte für drei Tage die GWL West antizyklonal klassifiziert werden.
Übergang:
Meist ist ein Tag „Übergang“ dann nötig, wenn bei massiv gestörter Zirkulation ein Wechsel z.B. von Süd- auf Nordlage stattfindet und der Tag dazwischen keiner der beiden Grosswettertypen zugeordnet werden kann. Hier dargestellt ist ein Sonderfall, wo davor wie danach dieselbe GWL herrschte: Hochdruckbrücke Mitteleuropa. Ein kleines abgeschnürtes, aber sehr wetteraktives Tief zieht sehr rasch von Nordwest nach Südost über Mitteleuropa hinweg, unterbricht die Hochdrucklage nur für einen Tag und ein paar Stunden. Mancher Meteorologe hätte womöglich BM einfach durchlaufen lassen, für mich war dieser Tag aber unmöglich als Hochdrucklage in der Statistik zu führen. Über die Klassifizierung des DWD an diesem Tag (Südost antizyklonal) möge sich jeder Leser / jede Leserin eine eigene Meinung bilden…
Markante Wettererscheinungen, Unwetterpotenzial
Übergangstage können sehr unterschiedliche Witterungscharaktere aufweisen, ebenso die Spezialfälle Viererdruckfeld und Sattellage. Unwetterträchtig sind die unbestimmbaren Flachdrucklagen, die vor allem im Früh- und Hochsommer etwas gehäufter auftreten. Aufgrund der flachen Druckverteilung ist die Anfälligkeit für heftige Gewitter hoch, wobei diese in der stehenden Luftmasse oft ortsfest sind und sich stundenlang über demselben Ort entladen können – entsprechend hoch ist die Gefahr von lokalen Überflutungen.
Auswirkungen auf den Vogelzug
Aufgrund der sehr unterschiedlichen Ursachen für unbestimmte Wetterlagen bzw. Übergänge nicht definierbar.
Grundlagen:
Katalog der Großwetterlagen Europas (1881-2009) nach Paul Hess und Helmut Brezowsky
Statistik der Grosswetterlagen aufgeschlüsselt nach Monat und Gesamtjahr im Zeitraum 2001-2024
Wulf Gatter: Vogelzug und Vogelbestände in Mitteleuropa, erschienen im Aula-Verlag, 2000
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