Ob im Spätherbst als letztes Aufbäumen des Martinisommers oder im Frühling als erster Frühsommerbote: Die GWL “Südostlage, über Mitteleuropa überwiegend antizyklonal” erfreut alle, die sich gerne bei ruhigem Wetter in der Natur bewegen wollen. Ein Porträt.
Beschreibung
Von Südosteuropa erstreckt sich ein Hochdruckrücken über die Ostsee und Südskandinavien zum Nordmeer, manchmal auch bis nach Island. Über dem südlichen Ostatlantik liegt ein kräftiges Zentraltief. Ausläufer dieses Tiefs erfassen im Wesentlichen nur Westeuropa und streifen zeitweise das westliche Mitteleuropa.
Zuordnung
Grosswettertyp (GWT): Ost
Zirkulationsform (ZF): meridional
Klimaregime: meist Block, gelegentlich NAO- (negative nordatlantische Oszillation) wenn das Hoch bis Island reicht
Verwandte GWL: in antizyklonaler Richtung Süd antizyklonal SA; in zyklonaler Richtung Südost zyklonal SEZ; in neutraler Richtung Hoch Fennoskandien antizyklonal HFA
Statistik
häufigstes Auftreten im Zeitraum 2001-2023: November 4.93 %, Oktober 4.91 %
häufigstes Auftreten im Zeitraum 1881-2008: Oktober 4.41 %
seltenstes Auftreten im Zeitraum 2001-2023: Dezember 0.00 %
seltenstes Auftreten im Zeitraum 1881-2008: August 0.23 %
Häufigkeit Gesamtjahr im Zeitraum 2001-2023: 2.29 %, Veränderung gegenüber 1881-2008: +0.12 Prozentpunkte
Rang Häufigkeit aller GWL: 1881-2008 Rang 20, 2001-2023 Rang 14 (Rangverschiebung: +6)
längste ununterbrochene GWL SEA: 11 Tage vom 4. bis 14. Mai 1947 sowie vom 30. April bis 10. Mai 1889
häufigste Nachfolge-GWL 1881-1997: 1.: Hoch Mitteleuropa HM 9.2 % / 2.: West zyklonal WZ 8.7 % / 3.: Süd antizyklonal SA 8.1 %
häufigste Nachfolge-GWL 1971-2022: 1.: Südwest zyklonal SWZ 9.8 % / 2.: West zyklonal WZ und winkelförmige Westlage WW je 7.6 %
seltenste Nachfolge-GWL 1881-1997: 1.: Nord antizyklonal NA 0.3 % / 2.: div. andere Nordlagen (NZ, HB, TRM) sowie Hoch Fennoskandien (= Ostlage) HFZ je 0.9 %
folgt auf GWL 1971-2022: 1.: Hochdruckbrücke Mitteleuropa BM 16.5 % / 2.: Hoch Mitteleuropa HM 8.8 % / 3.: Trog Westeuropa TRW 7.7 %
Als meridionale Lage weist SEA sein Maximum typischerweise in den Übergangsjahreszeiten auf, am deutlichsten ist der Peak im Oktober und November. Aber auch im Winter tritt diese blockierende Lage gelegentlich auf, weitaus seltener im Sommer, obwohl der Trend hier in den letzten Jahren zunehmend ist. Das völlige Fehlen im Dezember der letzten 23 Jahre kann ein Zufall sein, bedingt durch die kurze Erfassungszeitspanne.
Als typische Spätherbst-Schönwetterlage weist SEA das Maximum um den 11. Oktober, zum Martinisommer und Ende November auf. Interessant ist die Lücke im Dezember, da die Lage Anfang Januar wieder zulegt. Das letzte Vorkommen im Dezember stammt aus dem Jahr 1996.
Seit 1881 bewegt sich das durchschnittliche Auftreten von Südost antizyklonal recht stabil zwischen sechs und neun Tagen. Die 1980er-Jahre weisen das schwächste Auftreten des gesamten erfassten Zeitraums auf, daher erscheint der Anstieg in den gezeigten 50 Jahren recht deutlich. Auffallend ist die Periodizität von stärkerem Auftreten ungefähr alle 13 Jahre mit schwächeren Phasen dazwischen.
Witterung
Generell trocken und vor allem in erhöhten Lagen sowie in den Föhntälern warm, im Winterhalbjahr starke Inversionen mit kalten Nebellagen in den Niederungen.
Frühling und Sommer: wärmer als normal, Tagesminima normal; Niederschlag unternormal
Herbst: östliches und mittleres Mitteleuropa kälter als normal, sonst Tendenz zu wärmer als normal (v.a. in den Föhngebieten); Niederschlag unternormal
Winter: in den Niederungen kälter als normal, in den Föhngebieten und auf den Bergen wärmer als normal; Niederschlag unternormal
Typische Beispiele
Frühling (Klick ins Bild öffnet grössere Ansicht):
Zwischen einem Trog über dem östlichen Nordatlantik und einem weiteren über der Schwarzmeerregion wölbt sich ein Hochdruckrücken von Südosteuropa bis nach Island auf (in diesem Fall ist das Klimaregime NAO-). Der Polarfrontjet muss nach mehreren Windungen für die Jahreszeit aussergewöhnlich weit nach Norden ausweichen, der Subtropenjet ist völlig intakt. Während der ganzen Periode von Ende März bis Anfang April werden in Mitteleuropa verbreitet frühsommerliche Temperaturen erreicht, in den Alpen ist es leicht föhnig.
Herbst:
Die Tröge stehen an derselben Position wie bei der Frühlingslage oben, der Hochdruckrücken reicht aber nur bis Skandinavien bzw. bis knapp ans Nordmeer (das Klimaregime in diesem Fall ist Block). Der Frontenfriedhof liegt über Frankreich, ähnlich wie bei einer Winkelwest-Lage, aber einfach etwas westlicher. Die Verwandtschaft dieser beiden Lagen wird deutlich durch die stramme Westströmung über dem Nordatlantik, die an den Küsten Westeuropas scharf nach Norden umbiegt. Solche Blockadelagen im Herbst können gefühlt ewig lange dauern: In diesem Fall folgte eine extrem warme antizyklonale Südlage Anfang November, gefolgt von SWA und WA. Der starke Jetstream hobelte also den Höhenrücken von Norden her ab, insgesamt blieb es in Mitteleuropa aber vier Wochen hochdruckbestimmt.
Markante Wettererscheinungen, Unwetterpotenzial
Vor allem im Frühling wirbelt der oft bis nach Marokko reichende Trog Saharastaub auf, der in der Folge zu uns verfrachtet wird. Wird der Sonnenschein nicht allzu sehr gedimmt, ist mit frühsommerlichen Temperaturen zu rechnen. Auch im Herbst sind bei solchen Lagen vor allem auf den Bergen Rekordtemperaturen möglich. Der Föhn kann lokal stark werden, echte Stürme sind aber in dieser antizyklonalen Lage nicht zu erwarten. Bei den seltenen SEA-Lagen im Sommer wird die Luft durch die sich aus Westen nähernde Höhenkaltluft labilisiert. Die daraus entstehenden Gewitter mit aussergewöhnlicher Zugbahn aus den Voralpen heraus nach Nordwesten können im westlichen und zentralen Mittelland zu lokalen Überschwemmungen führen. Auch vom Jura und Schwarzwald in die Oberrheinische Tiefebene ziehende Gewitter sorgen mitunter für Überraschungen.
Auswirkungen auf den Vogelzug
Am Herbstzug wird die antizyklonale Südostlage sehr stark genutzt, sehr auffällig von Drosseln aller Art und von Greifvögeln. Dies gilt für das westliche Mitteleuropa – am Alpenostrand sieht die Sache wegen des Gegenwinds vermutlich anders aus. Auch wurde beobachtet, dass Kraniche bei dieser Lage gerne im Windschatten der Alpen knapp oberhalb der Hochnebeldecke durch das Mittelland nach Südwesten ziehen: Erstmals im Oktober 2012 und seither immer wieder, was einerseits mit der Zunahme dieser Wetterlage im Herbst zu tun hat, aber auch mit der Lernfähigkeit der Vögel. Im Frühling spült eine SEA regelmässig erste Ankömmlinge auf die Alpennordseite, insbesondere Südost- und Italienzieher.
Grundlagen:
Katalog der Großwetterlagen Europas (1881-2009) nach Paul Hess und Helmut Brezowsky
Statistik der Grosswetterlagen aufgeschlüsselt nach Monat und Gesamtjahr im Zeitraum 2001-2020
Wulf Gatter: Vogelzug und Vogelbestände in Mitteleuropa, erschienen im Aula-Verlag, 2000
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