Die exotischste aller Wetterlagen lag im Zeitraum 1881-2008 auf Rang 30 von 30. In letzter Zeit ist sie auf dem Vormarsch, aber immer noch extrem selten – mit Ausnahme des Spätherbstes. Für eine Klassifizierung als „Südlage, in Mitteleuropa überwiegend zyklonal“ muss eben jedes Detail stimmen, viel häufiger sind ihre verwandten Lagen Trog Westeuropa und Tief Britische Inseln. Ein Porträt.

Für die eindrücklichste SZ-Lage musste tief im Archiv gegraben werden: Jahrhundert-Föhnsturm 07.-09.11.1982 (Karte: Schweizerische Meteorologische Zentralanstalt)
Beschreibung
Über Russland befindet sich ein stabiles Hoch, in der Höhe allerdings oft nur ein ausgeprägter Hochkeil mit meridionaler Erstreckung. Das Zentraltief über dem Ostatlantik ist häufig südlich von Island anzutreffen. Die atlantische Frontalzone reicht bis nach Frankreich und biegt von dort nach Norden um. In dieser Strömung wandern Teiltiefs über Südwesteuropa und das westliche Mitteleuropa hinweg nach Norden.
Zuordnung
Grosswettertyp (GWT): Süd
Zirkulationsform (ZF): meridional
Klimaregime: meist Block, bei sehr südlicher Lage des Tiefs auch NAO- (negative nordatlantische Oszillation)
Verwandte GWL: in antizyklonaler Richtung Süd antizyklonal SA; in zyklonaler Richtung Tief Britische Inseln TB
Statistik
häufigstes Auftreten im Zeitraum 2001-2023 (nach FM): November 3.47 %
häufigstes Auftreten im Zeitraum 1881-2008 (nach DWD): Dezember 1.94 %
seltenstes Auftreten im Zeitraum 2001-2024 (nach FM): Januar 0.00 %
seltenstes Auftreten im Zeitraum 1881-2008 (nach DWD): Mai, Juli und August je 0.00 %
Häufigkeit Gesamtjahr im Zeitraum 2001-2024: 1.04 %, Veränderung gegenüber 1881-2008: +0.23 Prozentpunkte
Rang Häufigkeit aller GWL: 1881-2008 Rang 30, 2001-2024 Rang 26 (Rangverschiebung: +4)
längste ununterbrochene GWL SZ (nach DWD): 11 Tage vom 22. Februar bis 4. März 1978
häufigste Nachfolge-GWL 1881-1997 (nach DWD): 1.: West zyklonal WZ, Südost zyklonal SEZ und Süd antizyklonal SA je 10.4 %
seltenste Nachfolge-GWL 1881-1997 (nach DWD): 1.: Nordost antizyklonal NEA sowie alle Nordwest- und Nordlagen ausser Trog Mitteleuropa je 0.0 %
Bis 2008 war Süd zyklonal im Sommer praktisch inexistent mit nur einem einzigen Fall (2.-4. Juni 1981), seit 2011 tritt sie zwar selten, aber doch wiederholt auf. Der schon vorher gut besetzte November ist inzwischen zum SZ-Klassiker geworden. In allen anderen Monaten sind die Veränderungen nicht signifikant, weil bei solch seltenen Lagen in einem 24-jährigen Zeitraum oft zufällig.
Mit nur geringen langfristigen Schwankungen zwischen zwei und vier Tagen pro Jahr über den gesamten Zeitraum seit 1881 liegt SZ stets im untersten Bereich des Rankings aller GWL. Auffällig sind die Ballungen in einzelnen, manchmal auch zwei bis drei Jahren in Folge mit teils längerer Abstinenz dazwischen. Eine Gesetzmässigkeit ist dahinter nicht auszumachen.
Witterung
Mit Ausnahme des Sommers stürmischer Südföhn in den Alpen bzw. auf der Alpennordseite mit starken Niederschlägen auf der Alpensüdseite sowie unter einer häufig stationären bis nur langsam progressierenden Front im Westen. Die neuerdings auch im Sommer vorkommende GWL hat ähnliches Unwetterpotenzial wie ihre Verwandtschaft Tief Britische Inseln und Trog Westeuropa.
Alle Jahreszeiten: wärmer als normal; Niederschlag unternormal bis auf Westeuropa (im Frühling und Sommer unstrukturiert durch Gewitter)
Typische Beispiele
Spätherbst (Klick ins Bild öffnet grössere Ansicht):
Die klassische SZ-Lage im November: Ein riesiges, blockierendes Kontinentalhoch und ein ebenso umfangreiches Atlantiktief stehen sich gegenüber. Mitteleuropa genau dazwischen in der kräftigen Südströmung, Pattsituation und Föhnsturm in den Alpen. Eine recht scharfe Luftmassengrenze verläuft stationär über Ostfrankreich und den BeNeLux-Staaten, Warmluft wird weit nach Norden über Skandinavien bis nach Island getragen. Diese GWL hält drei Tage, danach weitet sich der Tiefdruck über die Iberische Halbinsel südwärts aus und wird zu Trog Westeuropa TRW – eine recht häufige Entwicklung und mit ein Grund, weshalb SZ eine Randerscheinung bleibt.
Frühling:
Ähnliche Lage wie oben im November, allerdings ist im Frühling mehr Höhenkaltluft im Spiel und der Sonnenstand höher, was die Labilität gegenüber einer identischen Lage im Herbst massiv erhöht. So kann einerseits der Föhn viel besser in die Niederungen durchgreifen und weit ins Flachland hinaus vorstossen, andererseits kommt es an der Kaltfront und an dessen Vorderseite sowie auf der Alpensüdseite zu kräftigen Gewittern. Diese ziehen ziemlich exakt Süd-Nord, also von den Voralpen hinaus ins westliche und zentrale Mittelland. Weiter östlich ist es föhnbedingt trocken, erst von der Alpensüdseite übergreifender Niederschlag zum Ende dieser Wetterlage bringt flächendeckenden Regen.
Markante Wettererscheinungen, Unwetterpotenzial
Süd zyklonal ist für die stärksten Föhnstürme auf der Alpennordseite verantwortlich. Bei keiner anderen Süd-, Südwest- oder Südostlage wird die Druckdifferenz zwischen Süden und Norden so effektiv ausgenützt wie bei SZ. Die Heftigkeit des Sturms ist abhängig von der Stärke der beiden Kontrahenten (Hoch im Osten, Tief im Westen). Am extremsten ausgeprägt war dies beim Jahrhundert-Föhnsturm am 7./8. November 1982 (Details siehe unter dem Titelbild) mit einer Druckdifferenz Lugano-Zürich von 28 Hektopascal. Weitere Begleiterscheinungen sind intensive, gewittrig durchsetzte Niederschläge auf der Alpensüdseite mit Hochwasserpotenzial, in etwas geringerem Umfang auch bei einer stationären Kaltfront in den westlichen Landesteilen der Schweiz, in Ostfrankreich und in den westlichen Mittelgebirgen Deutschlands. Bei den seltenen, aber in letzter Zeit zunehmenden zyklonalen Südlagen im Frühling und Sommer sind abseits der Föhngebiete heftige Gewitter mit Grosshagel und Tornadopotenzial möglich.
Auswirkungen auf den Vogelzug
Die zyklonale Südlage wird nach den Erhebungen am Randecker Maar von fast allen Vogelarten überdurchschnittlich genutzt. Das mag auf den ersten Blick erstaunen, liegt aber sehr wahrscheinlich an der Lage der Schwäbischen Alb, die bei dieser Wetterlage auf der niederschlagsfreien Vorderseite des Tiefs im Warmsektor liegt. Auch greift der stürmische Föhn in der Regel nicht so weit nach Norden aus, sodass in dieser Gegend oft auch gute Windbedingungen in Bodennähe herrschen, während die Vögel den Starkwind in der Höhe meiden. Somit kann solcher Zug auch besser beobachtet und statistisch erfasst werden. In Alpennähe und weiter im Westen dürften die vorherrschenden Bedingungen mit stürmischem Wind und Regen hingegen für Zugstau sorgen.
Grundlagen:
Katalog der Großwetterlagen Europas (1881-2009) nach Paul Hess und Helmut Brezowsky
Statistik der Grosswetterlagen aufgeschlüsselt nach Monat und Gesamtjahr im Zeitraum 2001-2024
Wulf Gatter: Vogelzug und Vogelbestände in Mitteleuropa, erschienen im Aula-Verlag, 2000
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