Späte Winterrückfälle oder die erste vollherbstliche Wetterlage mit erstem Schnee bis in Mittelgebirgslagen, die “Nordlage, in Mitteleuropa überwiegend zyklonal” ist hauptsächlich ein Phänomen der Übergangsjahreszeiten. Im Winter ist sie Garant für tagelangen Schneefall im Nordstau der Alpen. Im Sommer tritt sie kaum noch auf, da hat sie das Feld ihrer Schwester Trog Mitteleuropa überlassen.
Beschreibung
Über dem östlichen Nordatlantik liegt ein blockierendes Hoch oder auch eine meridional ausgerichtete Hochdruckbrücke vom Seegebiet westlich der Iberischen Halbinsel zu einem Polarhoch. Über Skandinavien und dem Baltikum befindet sich ein ausgedehntes Tiefdrucksystem. Die atlantische Frontalzone ist nordostwärts nach Island und Ostgrönland gerichtet. In der vom Nordmeer zum Mittelmeer verlaufenden Frontalzone wandern Randtiefs über Mitteleuropa hinweg. Die zum Mittelmeer eindringende Kaltluft löst dort häufig die Bildung von Teilstörungen aus, die dann nordostwärts weiterziehen.
Zuordnung
Grosswettertyp (GWT): Nord
Zirkulationsform (ZF): meridional
Klimaregime: ATR (atlantischer Rücken)
Verwandte GWL: in antizyklonaler Richtung Nord antizyklonal NA und Hoch Britische Inseln HB; in zyklonaler Richtung Trog Mitteleuropa TRM und Nordwest zyklonal NWZ
Statistik
häufigstes Auftreten im Zeitraum 2001-2023: Februar 2.47 %, April 2.46 %
häufigstes Auftreten im Zeitraum 1881-2008: Mai 4.39 %, Juni 4.32 %
seltenstes Auftreten im Zeitraum 2001-2023: Mai und Juli je 0.00 %
seltenstes Auftreten im Zeitraum 1881-2008: Dezember 1.81 %, Oktober 1.89 %
Häufigkeit Gesamtjahr im Zeitraum 2001-2023: 1.32 %, Veränderung gegenüber 1881-2008: -1.49 Prozentpunkte
Rang Häufigkeit aller GWL: 1881-2008 Rang 13, 2001-2023 Rang 20 (Rangverschiebung: -7)
längste ununterbrochene GWL NZ: 13 Tage vom 9. bis 21. August 1887
häufigste Nachfolge-GWL 1881-1997: 1.: West zyklonal WZ 13.0 % / 2.: Hoch Mitteleuropa HM 8.6 % / 3.: Unbestimmt U/Ü 7.8 %
häufigste Nachfolge-GWL 1971-2022: 1.: Hochdruckbrücke Mitteleuropa BM 15.1 % / 2.: Unbestimmt U/Ü 10.5 % / 3.: West zyklonal WZ 7.0 %
seltenste Nachfolge-GWL 1881-1997: Süd zyklonal SZ 0.0 %; Süd antizyklonal SA, Südost zyklonal SEZ und Südwest zyklonal SWZ je 0.3 % (= je 1 Fall)
folgt auf GWL 1971-2022: 1.: West zyklonal WZ 17.4 % / 2.: Nordwest zyklonal NWZ 11.6 % / 3.: Hochdruckbrücke Mitteleuropa BM 8.1 %
Das gehäufte Auftreten im Frühling ist typisch für Nordlagen, da springt das völlige Ausbleiben im Mai der letzten 20 Jahre geradezu ins Auge. Auch von Juni bis August kommt die zyklonale Nordlage in letzter Zeit kaum noch vor. Einzig im Februar und Dezember konnte sie leicht zulegen, sonst ist sie ingesamt stark auf dem Rückzug. Dies wohl zugunsten der nahe verwandten GWL Trog Mitteleuropa, die stark zugenommen hat.
In der tagesgenauen Auflösung zeigen sich für eine seltene Wetterlage auffällige Häufungen, wobei jene aus der Periode 1961-90 weitgehend verschwunden sind, namentlich jene um den 8. April herum und in der ersten Januarhälfte. In der Periode 1991-2020 fallen die Häufungen Anfang Februar und Ende August bis Anfang September auf, das Niveau ist allerdings derart niedrig, dass keine Trendaussage getroffen werden kann. Für eine solche muss eine Auswertung zusammen mit dem nahe verwandten und in Zunahme befindlichem Trog Mitteleuropa vorgenommen werden, auch der Einbezug von Hoch Nordmeer zyklonal HNZ (ebenfalls eine Nordlage) ist sinnvoll.
Ab Beginn der statistischen Erfassung 1881 bis etwa in die 1930-er Jahre lag das durchschnittliche Auftreten von NZ zwischen 10 und 15 Tagen pro Jahr, auch 1950-1980 war sie mit 8 bis 11 Tagen häufiger als heute. Inzwischen sind Jahre mit mehr als 8 Tagen Nord zyklonal die Ausnahme. Offenbar gibt es eine Verschiebung hin zur Troglage über Mitteleuropa, die sich nur in Details von NZ unterscheidet.
Witterung
Generell nass-kalt mit Tendenz zu etwas freundlicherer Witterung, je weiter westlich.
Frühling, Sommer und Herbst: kälter als normal; Niederschlag übernormal mit Ausnahme des westlichsten Mitteleuropa
Winter: im Westen kälter als normal, im Osten normal; Niederschlag übernormal
Typische Beispiele
Winter (Klick ins Bild öffnet grössere Ansicht):
Typisch für diese klassische Nordlage ist der enorm ausgeprägte atlantische Rücken, der den Jetstream der Ostküste Grönlands entlang bis fast Spitzbergen steigen lässt, von wo er über die Nordsee direkt zu den Alpen zielt. Dabei liegt ganz Osteuropa unter einem riesigen Tiefdruckkomplex. Feuchte Luftmassen stauen sich auf der Alpennordseite, was intensiven Dauerschneefall zur Folge hat. Unter der Höhenkaltluft haben die Niederschläge im Flachland eher Schauercharakter mit Schnee und Graupel bis in die Niederungen. Typisch für das Winterhalbjahr ist auch die Entwicklung eines Leetiefs über Italien als Folge der Temperaturdifferenz der Kaltluft zum relativ warmen Mittelmeer.
Spätsommer:
Nordlagen läuten gerne Anfang September den Herbst ein, der Kaltlufteinbruch lässt die Schneefallgrenze erstmals deutlich unter 2000 m sinken. Diese Version zeigt, dass vor allem im Sommerhalbjahr der Kaltluftstrom typischerweise nicht so weit in den Mittelmeerraum vordringt wie im Winter und die Nordströmung an den Alpen nach Osten umknickt. Das westliche Mitteleuropa – insbesondere die Westschweiz und Südwestdeutschland – liegen oft bereits unter Hochdruckeinfluss. Die grössten Niederschlagsmengen fallen im Nordstau der Alpen ab der Ostschweiz bis etwa ins Salzkammergut. NZ ist übrigens die beste Wetterlage für Wasserhosen auf dem Bodensee im Spätsommer und Herbst.
Markante Wettererscheinungen, Unwetterpotenzial
Im Winterhalbjahr sind zyklonale Nordlagen der Schneebringer schlechthin im Nordstau der Alpen. Oft hält der Dauerschneefall mehrere Tage an, was Neuschneemengen von über einem Meter zur Folge hat, entsprechend hoch ist dann auch die Lawinengefahr. Auf der Alpensüdseite bläst dann oft stürmischer Nordföhn. Etwas abgesetzt von den Alpen bildet sich im Süden ein Leetief, das rund um die Adria, oft auch noch in Südostösterreich Unwetter bringt. Extrem können die mit Nord zyklonal verbundenen Temperaturstürze sein, wenn der Nordlage eine Südlage vorangegangen ist wie Ende Oktober 2012.
Auswirkungen auf den Vogelzug
Bei Nord zyklonal kommt der Vogelzug sowohl im Frühjahr wie im Herbst fast vollständig zum Erliegen, sie ist also eine typische Zugstau-Wetterlage. Ausnahme bildet der robuste Wespenbussard, der als einziger diese Wetterlage im Herbst überdurchschnittlich nutzt und dabei von den oft etwas besseren Wetterverhältnissen und von starkem Rückenwind am Westrand der Alpen profitiert.
Grundlagen:
Katalog der Großwetterlagen Europas (1881-2009) nach Paul Hess und Helmut Brezowsky
Statistik der Grosswetterlagen aufgeschlüsselt nach Monat und Gesamtjahr im Zeitraum 2001-2020
Wulf Gatter: Vogelzug und Vogelbestände in Mitteleuropa, erschienen im Aula-Verlag, 2000
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