Eisheiligen und Schafskälte sind nicht selten mit der Grosswetterlage “Hoch Nordmeer-Island, in Mitteleuropa überwiegend zyklonal” verbunden, sie ist eine typische Wetterlage des Frühlings. Im März und April bringt sie noch mal winterliche Verhältnisse nach Mitteleuropa. Auch im Oktober tritt sie gerne auf und sorgt dann für vorwinterliche Grüsse mit ersten Schneefällen bis in tiefere Lagen.
Beschreibung
Ein abgeschlossenes, blockierendes Hochdruckgebiet liegt über dem Nordmeer und dem Seegebiet zwischen Island und Schottland, im Gegensatz zur antizyklonalen Form fehlt aber der von Nordwesten nach Mitteleuropa gerichtete Hochdruckkeil. Dabei wird Mitteleuropa entweder von Störungen des südlichen Zweiges der atlantischen Frontalzone erfasst, die über die Biskaya hinweg zum südlichen Mitteleuropa und zum Westmittelmeer ziehen, oder es gelangt in den Einflussbereich von Kaltlufttropfen, die sich über Westeuropa oder dem westlichen Mitteleuropa befinden. Diese entstehen durch Kaltluftzufuhr aus einem von Skandinavien nach Südwesten gerichteten Trog.
Zuordnung
Grosswettertyp (GWT): Nord
Zirkulationsform (ZF): meridional
Klimaregime: NAO- (negative nordatlantische Oszillation)
Verwandte GWL: in antizyklonaler Richtung Hoch Nordmeer-Island antizyklonal HNA; in zyklonaler Richtung Nord zyklonal NZ
Statistik
häufigstes Auftreten im Zeitraum 2001-2023: Mai 3.51 %
häufigstes Auftreten im Zeitraum 1881-2008: Mai 2.97 %
seltenstes Auftreten im Zeitraum 2001-2023: November und Dezember je 0.00 %
seltenstes Auftreten im Zeitraum 1881-2008: September 0.47 %, November 0.55 %
Häufigkeit Gesamtjahr im Zeitraum 2001-2023: 1.26 %, Veränderung gegenüber 1881-2008: -0.11 Prozentpunkte
Rang Häufigkeit aller GWL: 1881-2008 Rang 26, 2001-2023 Rang 22 (Rangverschiebung: +4)
längste ununterbrochene GWL HNZ: 12 Tage vom 20. bis 31. Mai 1987
häufigste Nachfolge-GWL 1881-1997: 1.: Hoch Nordmeer-Island antizyklonal HNA 11.4 % / 2.: West zyklonal WZ 9.8 % / 3.: Unbestimmt U/Ü 8.5 %
häufigste Nachfolge-GWL 1971-2022: 1.: West zyklonal WZ und Unbestimmt U/Ü je 11.5 % / 3.: südliche Westlage WS 8.2 %
seltenste Nachfolge-GWL 1881-1997: 1.: winkelförmige Westlage WW und Nordost antizyklonal je 0.0 %, Süd antizyklonal SA und Süd zyklonal SZ je 0.5 %
folgt auf GWL 1971-2022: 1.: Hoch Mitteleuropa HM 9.8 % / 2.: Hoch Nordmeer-Fennoskandien antizykl. HNFA 8.2 % / 3.: West antizykl. WA und Unbestimmt U/Ü je 6.6 %
Wie die meisten “echten” Nordlagen ist HNZ ein Phänomen der Übergangsjahreszeiten, wenn die Westdrift am schwächsten und der Ausgleich zwischen kaltem Norden und warmem Süden am stärksten ist. Sie ist eine typische Frühlingswetterlage mit einem sekundären Maximum im Oktober. Interessanterweise nimmt sie in diesen Jahreszeiten während der letzten Jahre weiter zu, während der Gesamtjahresschnitt nahezu stabil bleibt.
Die Spitzen im Frühling wurden in den letzten 30 Jahren gebrochen, die Wetterlage verteilt sich jetzt gleichmässiger über die Jahreszeit. Auffällig ist die geballte Zunahme Anfang Juli und das Verschwinden aus dem Zeitraum Ende Dezember bis Anfang Januar.
Die Periodizität, die eng an Phasen mit negativer nordatlantischer Oszillation (NAO-) gebunden ist, fällt bei dieser Wetterlage besonders auf. Diese Phasen beinhalten auch besonders kühle Jahre oder solche mit zumindest auffällig kalten Abschnitten (Mitte der 80er, Mitte der 90er und 2009-2013). In der langfristigen Betrachtung ist der Trend seit Mitte des letzten Jahrhunderts mit durchschnittlich 5-7 Tagen pro Jahr stabil. Noch Ende des 19. Jahrhunderts bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts lag der Schnitt deutlich tiefer bei 2-4 Tagen.
Witterung
Alle Jahreszeiten: kälter als normal; Niederschlag übernormal
Typische Beispiele
Frühling (Klick ins Bild öffnet grössere Ansicht):
HNZ war Teil des berüchtigten Märzwinters 2013. Das blockierende Hoch über dem Nordmeer steuerte die atlantischen Tiefs auf sehr südlicher Zugbahn ins Mittelmeer. Die Alpen bildeten die Wetterscheide zwischen sehr kalter Luft im Norden und milden Luftassen im Süden. Das Tief sorgte für kontinuierliche Feuchtezufuhr herumgeholter Mittelmeerluft aus Osten, sodass bei leichtem Schneefall über Tage hinweg Dauerfrost herrschte. Man beachte die Gegenstromlage auf der Alpennordseite: Westwind in 5000 m Höhe, Ostwind in 1500 m. Diese etwas vermurkste Nordlage ging dann auch prompt in eine Ostlage (HFZ) über, die – man ahnt es beim Blick auf die Temperaturkarte – auch keine wirkliche Entspannung brachte.
Sommer:
In der Sommerversion ist das Hoch über dem Nordmeer schwächer, wir haben es hier mit einem nach Südwesteuropa gerichteten Trog zu tun. Die Nordströmung über Mitteleuropa bringt Kaltluft in mehreren Staffeln, in den Nordalpen sinkt die Schneefallgrenze unter 2000 m. In Norditalien kommt es unter dem Subtropenjet und an der scharfen Luftmassengrenze verbreitet zu heftigen Unwettern.
Markante Wettererscheinungen, Unwetterpotenzial
Wie alle Nordlagen mit zyklonalem Charakter ist auch HNZ zu allen Jahreszeiten ein echter Ungustl. Im Frühling sorgt sie für heftige Winterrückfälle mit Dauerfrost und Schneefall bis in die Niederungen, selbst im Mai ist das noch möglich. Im Frühsommer liegt die Schneefallgrenze naturgemäss etwas höher, winterliche Verhältnisse z.B. auf den Alpenpässen sind dann aber immer noch an der Tagesordnung. Die Höhenkaltluft sorgt dann im Mittelmeerraum für heftige Unwetter, insbesondere wenn sich dadurch dort noch ein abgeschnürtes Tief entwickelt. Deren kräftige Niederschlagsfronten können dann vor allem im östlichen Teil der Alpensüdseite für gewittrig durchsetzten Dauerregen sorgen. Im nördlichen Mitteleuropa sind die Auswirkungen durch die Nähe des Hochs deutlich moderater, meist handelt es sich nur um unterkühltes Schauerwetter.
Auswirkungen auf den Vogelzug
Aufgrund des relativ seltenen Auftretens dieser Wetterlage ist die Datenlage etwas dünn. Man erkennt aber im Herbst einzelne Spitzenzugtage, wenn innerhalb dieser GWL etwas ruhigeres Wetter herrscht. Offenbar wird dann der Rückenwind gerne genutzt, wenn der Himmel aufreisst und gute Sichtbedingungen herrschen. Beim Frühjahrszug hingegen ist HNZ eine typische Zugstaulage und echte Falle, wie tausende verhungerte und erfrorene Singvögel Ende März 2013 in Mitteleuropa beweisen.
Grundlagen:
Katalog der Großwetterlagen Europas (1881-2009) nach Paul Hess und Helmut Brezowsky
Statistik der Grosswetterlagen aufgeschlüsselt nach Monat und Gesamtjahr im Zeitraum 2001-2020
Wulf Gatter: Vogelzug und Vogelbestände in Mitteleuropa, erschienen im Aula-Verlag, 2000
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