Ausgeprägt wechselhaftes Wetter bis hin zu Unwettern bringt die GWL “Hoch Nordmeer-Fennoskandien, über Mitteleuropa überwiegend zyklonal”. Je nachdem, wo das Tief zu liegen kommt und welche Richtung es einschlägt, können in den verschiedenen Regionen Mitteleuropas völlig unterschiedliche Wettererscheinungen auftreten – eine regelrechte Wundertüte also, geradezu der Prototyp für launisches Aprilwetter. Ein Porträt.
Beschreibung
Eine langgestreckte, blockierende Hochdruckzone liegt zwischen Island und Nordrussland. Über Mitteleuropa, oft auch über Frankreich, befindet sich ein Höhentief, das manchmal auch als Kaltlufttropfen abgeschlossen ist, so dass bei einer östlichen Bodenströmung Aufgleitvorgänge auftreten.
Zuordnung
Grosswettertyp (GWT): Ost
Zirkulationsform (ZF): meridional
Klimaregime: meist Block, gelegentlich NAO- (negative nordatlantische Oszillation) wenn zusätzlich ein Tief in der Nähe der Azoren sitzt
Verwandte GWL: in antizyklonaler Richtung Hoch Nordmeer-Fennoskandien antizyklonal HNFA, Südost antizyklonal SEA; in zyklonaler Richtung Tief Mitteleuropa TM, südliche Westlage WS, Hoch Fennoskandien zyklonal HFZ
Statistik
häufigstes Auftreten im Zeitraum 2001-2023: April 6.09 %
häufigstes Auftreten im Zeitraum 1881-2008: März 3.07 %, April 3.05 %
seltenstes Auftreten im Zeitraum 2001-2023: August 0.14 %
seltenstes Auftreten im Zeitraum 1881-2008: Dezember 0.50 %
Häufigkeit Gesamtjahr im Zeitraum 2001-2023: 2.31 %, Veränderung gegenüber 1881-2008: +0.62 Prozentpunkte
Rang Häufigkeit aller GWL: 1881-2008 Rang 23, 2001-2023 Rang 13 (Rangverschiebung: +10)
längste ununterbrochene GWL HNFZ: 17 Tage vom 21. Februar bis 9. März 1947
häufigste Nachfolge-GWL 1881-1997: 1.: Tief Mitteleuropa TM 9.8 % / 2.: Hoch Island-Nordmeer antizyklonal HNA 6.9 % / 3.: Unbestimmt U/Ü 6.9 %
häufigste Nachfolge-GWL 1971-2022: 1.: Hochdruckbrücke Mitteleuropa BM 15.3 % / 2.: Südost antizyklonal SEA 8.3 % / 3: Südost zyklonal SEZ 6.9 %
seltenste Nachfolge-GWL 1881-1997: 1.: Süd zyklonal SZ, Nordost antizyklonal NEA und Hoch Fennoskandien zyklonal HFZ je 0.6 %
folgt auf GWL 1971-2022: 1.: Südost zyklonal SEZ 9.7 % / 2.: Hoch Nordmeer-Fennoskandien antizyklonal HNFA 8.3 % / 3.: diverse (HM, TM, NZ, TRM, NEZ, TRW) je 5.6%
HNFZ erweist sich zuverlässig als typische Aprilwetterlage, entsprechend tritt sie am häufigsten im Frühling auf. Ein kleines sekundäres Maximum erscheint im Herbst. Neuerdings gibt es auch ein etwas gehäufteres Auftreten in der ersten Sommerhälfte.
Im Vergleich der beiden 30-Jahresperioden fällt auf, dass die relative Häufung im Herbst ein neues Phänomen ist. Gleichzeitig wurden die Spitzen im Frühling gebrochen, bei gleichzeitiger Abnahme verteilt sich die Lage dort jetzt gleichmässiger.
Über lange Zeit bewegt sich das durchschnittliche Auftreten von HNFZ um 5 Tage pro Jahr. In der Mitte des letzten Jahrhunderts gab es aber eine längere Phase mit fast doppelt so häufigem Auftreten, und auch der aktuelle Trend geht wieder in diese Richtung – allerdings ist der weitere Verlauf für die Zukunft angesichts des kurzfristig stark schwankenden Auftretens schwierig abzuschätzen.
Witterung
Generell unbeständig mit viel Überraschungspotenzial je nach Stärke und Bahn der unberechenbaren Kaltlufttropfen und abgeschlossenen Tiefs. Schwierig zu prognostizieren.
Frühling und Herbst: kälter als normal (Ausnahme: kurze Föhnphasen); Niederschlag übernormal
Sommer: Tagesmaximum und -mittel im Westen unternormal, sonst übernormal, Tagesminimum übernormal; Niederschlag übernormal
Winter: kälter als normal; Niederschlag im Westen unternormal, sonst ausgeglichen
Typische Beispiele
Frühling (Klick ins Bild öffnet grössere Ansicht):
Der Märzwinter 2018 ist legendär (es gab bereits eine ähnliche Konstellation Ende März 2013 mit denselben Auswirkungen): Ein kräftiges Hoch über Südskandinavien zapft die in Nordrussland lagernde arktische Luftmasse an und führt sie schnurstracks über das nördliche Mitteleuropa und die Britischen Inseln hinweg auf den Nordatlantik. Dort indiziert der starke Gegensatz zwischen kalter Luft und mildem Wasser kräftige Tiefdruckentwicklung, die dann wiederum viel Feuchtigkeit von der Biskaya und dem westlichen Mittelmeer nach Mitteleuropa führt. In der Mitte Deutschlands sanken die Temperaturen bis -15 Grad und an den Folgetagen fiel in weiten Teilen Mitteleuropas flächendeckend Schnee.
Sommer:
Anders als im Winterhalbjahr wird im Sommer bei Ostlagen sehr warme Kontentalluft angezapft. Durch die schwächeren Druckgegensätze herrscht über Mitteleuropa eine flache Druckverteilung und auch der Höhenwind ist relativ schwach. Die von Westen eindringende Höhenkaltluft labilisiert zunächst die Atmosphäre, was verbreitet langsam verlagernde Schauer und Gewitter zur Folge hat. In weiterer Folge gleitet die Warmluft aus Osten auf und verursacht flächigen Warmfrontregen. Die Temperaturen sinken im Westen auf jahreszeitlich recht tiefe Werte: Nicht etwa wegen einer kalten Luftmasse, sondern durch mangelnde Sonneneinstrahlung und andauernde Niederschlagsabkühlung.
Markante Wettererscheinungen, Unwetterpotenzial
So vielseitig die Möglichkeiten einer Positionierung von Kaltlufttropfen und CutOff-Tiefs südlich der lang gezogenen Hochdruckzone sind, so vielseitig sind die möglichen Wettererscheinungen in Mitteleuropa. Am häufigsten befindet sich ein Tief oder Kaltlufttropfen über Westeuropa, meist über Frankreich. In diesem Fall kann zu jeder Jahreszeit, aber besonders im Frühling in den Alpen kräftiger Föhn auftreten. Aufgrund der Strömungsrichtung Südost bis Ost ist der Föhn im Wallis (Rhonetal) aussergewöhnlich stark, im Berner Oberland tritt der Guggiföhn auf. Gleichzeitig zieht eine starke Bise durch das Alpenvorland, auf den Bergen (Jura, Schwarzwald) ist ebenfalls Sturm möglich. Im Winter können im südlichen und westlichen Mitteleuropa starke Schneefälle auftreten, während es nach Nordosten hin unter mehr Hochdruckeinfluss zu strengem Frost kommt. Im Sommer besteht das Potenzial zu heftigen Gewittern, die sich wegen der schwachen Höhenwinde nur wenig verlagern und lokal begrenzt Überflutungen bringen können. Besonders gefährdet sind Gebiete west-nordwestlich der Voralpen und Mittelgebirge.
Auswirkungen auf den Vogelzug
HNFZ ist aufgrund der schlechten Sicht- und Windverhältnisse rund um die Alpen eine typische Zugstaulage, der Vogelzug kommt sowohl im Frühling wie im Herbst fast vollständig zum Erliegen. Allenfalls kann man im Frühherbst in niederschlagsfreien Phasen ein paar robuste Greifvögel ziehen sehen, etwa den Wespenbussard.
Grundlagen:
Katalog der Großwetterlagen Europas (1881-2009) nach Paul Hess und Helmut Brezowsky
Statistik der Grosswetterlagen aufgeschlüsselt nach Monat und Gesamtjahr im Zeitraum 2001-2020
Wulf Gatter: Vogelzug und Vogelbestände in Mitteleuropa, erschienen im Aula-Verlag, 2000
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