Das klassische “Skandihoch”, offiziell etwas umständlicher “Hoch Fennoskandien, in Mitteleuropa überwiegend antizyklonal” genannt, ist eine der grössten Verliererinnen unter den Grosswetterlagen der letzten 20 Jahre. Es beschert Mitteleuropa meist angenehmes Sommerwetter, da die damit verbundene Hitze trocken ist und weniger belastend empfunden wird. Verdrängt wird sie durch den wesentlich schwüleren Trog Westeuropa, bei dem die Druckzentren nur wenig östlicher liegen. Im Winter ist HFA der klassische Türöffner für sibirische Kälte – ebenfalls immer seltener.
Beschreibung
Am Boden liegt ein umfangreiches, in den Wintermonaten kräftiges Hochdruckgebiet über ganz Fennoskandien und oft auch über Nordrussland. In der Höhe befindet sich etwas weiter im Westen ein blockierender Hochkeil, manchmal auch ein abgeschlossenes Hoch über Norwegen. Mitteleuropa wird am Südrand des hohen Drucks antizyklonal beeinflusst. Der Atlantik wird meist gleichzeitig von einem umfangreichen Tiefdrucksystem beherrscht. Eine kräftige Frontalzone erstreckt sich vom Mittelatlantik zu den Britischen Inseln und biegt dann scharf nach Norden bis Nordosten ab (Blockierung). Im Mittelmeerraum befinden sich nur schwache Störungen.
Zuordnung
Grosswettertyp (GWT): Ost
Zirkulationsform (ZF): meridional
Klimaregime: Block
Verwandte GWL: in antizyklonaler Richtung Hoch Nordmeer-Fennoskandien antizyklonal HNFA, Südost antizyklonal SEA, Nordost antizyklonal NEA; in zyklonaler Richtung Hoch Fennoskandien zyklonal HFZ, Hoch Nordmeer-Fennoskandien zyklonal HNFZ, Südost zyklonal SEZ, Nordost zyklonal NEZ
Statistik
häufigstes Auftreten im Zeitraum 2001-2023: August 6.31 %
häufigstes Auftreten im Zeitraum 1881-2008: März 4.69 %, Februar 4.60 %
seltenstes Auftreten im Zeitraum 2001-2023: Juni 0.43 %
seltenstes Auftreten im Zeitraum 1881-2008: Juni 1.90 %
Häufigkeit Gesamtjahr im Zeitraum 2001-2023: 1.89 %, Veränderung gegenüber 1881-2008: -1.69 Prozentpunkte
Rang Häufigkeit aller GWL: 1881-2008 Rang 8, 2001-2023 Rang 18 (Rangverschiebung: -10)
längste ununterbrochene GWL HFA: 19 Tage vom 3. bis 21. August 1997
häufigste Nachfolge-GWL 1881-1997: 1.: Hoch Mitteleuropa HM 11.4 % / 2.: Südost antizyklonal SEA 10.5 % / 3.: Hochdruckbrücke Mitteleuropa BM 10.2 %
häufigste Nachfolge-GWL 1971-2022: 1.: Hochdruckbrücke Mitteleuropa BM 15.2 % / 2.: Trog Westeuropa TRW und winkelförmige Westlage WW je 7.6 %
seltenste Nachfolge-GWL 1881-1997: 1.: Südwest antizyklonal SWA 0.3 % / 2: Nordost zyklonal NEZ 0.6 % / 3.: Süd zyklonal SZ und Südwest zyklonal SWZ je 0.9 %
folgt auf GWL 1971-2022: 1.: Hochdruckbrücke Mitteleuropa BM 19.6 % / 2.: West zyklonal WZ 9.8 % / 3.: Trog Mitteleuropa TRM 8.7 %
Die klassische Ausprägung des “Skandihochs” war in der Vergangenheit recht gut über das ganze Jahr verteilt, wenn auch die für meridionale Lagen typische Häufung im Frühjahr und Herbst erkennbar ist. In den letzten 23 Jahren musste sie aber in den meisten Monaten deutlich Federn lassen mit Ausnahme des August, wo eine deutliche Zunahme zu verzeichnen ist. Das kann man sich bei gleichzeitiger Abnahme von Hoch Mitteleuropa in diesem Monat so erklären, dass sich das typische Spätsommerhoch nach Nordosten verschoben hat, wohl als Folge der häufigeren Austrogungen über Westeuropa und somit stärkerem Warmlufttransport in den Hohen Norden.
Die höchste Wahrscheinlichkeit für HFA im Jahr liegt aktuell zwischen dem 5. und 11. August, die früheren Peaks vom März sind inzwischen fast völlig verschwunden.
Seit Beginn der GWL-Statistiken im Jahr 1881 lag die durchschnittliche Anzahl Tagen von HFA lange Zeit um 15. Seit Mitte des letzten Jahrhunderts sinkt sie kontinuierlich. Einzig das Aufflackern im Zeitraum 1996-2004 hat den Sinkflug etwas gebremst, seither liegt der Schnitt deutlich unter zehn. Mit dem Fall von Rang 8 auf 18 gehört HFA zu den grössten Verlierern aller GWL.
Witterung
Generell trocken und sonnig, im Winterhalbjahr Inversion mit Nebel und Hochnebel. Im Sommer warm bis heiss, aber erträglich da trockene Hitze, im Winter frostig.
Frühling und Herbst: westliches und mittleres Mitteleuropa wärmer als normal, sonst Tendenz zu kälter als normal; Niederschlag unternormal
Sommer: wärmer als normal; Niederschlag unternormal
Winter: kälter als normal; Niederschlag unternormal
Typische Beispiele
Winter (Klick ins Bild öffnet grössere Ansicht):
Ein Höhenrücken vor der norwegischen Küste blockiert den atlantischen Einfluss nachhaltig, der Jetstream wird über Island nach Norden gelenkt und verliert sich über dem Nordmeer. Ein extrem starkes Bodenhoch mit Kerndruck über 1065 hPa in Nordrussland erstreckt sich über ganz Nordeuropa und zapft das sibirische Kaltluftreservoir an, das schnurstracks nach Mitteleuropa geführt wird. So wird die kälteste Phase der letzten 35 Jahre eingeleitet: Seit 1987 wurden in Mitteleuropa nie mehr so tiefe Temperaturen über eine derart lange Phase erreicht wie in der ersten Februarhälfte 2012.
Sommer:
Gleiches Jahr, andere Jahreszeit: 2012 war das letzte “gute” Jahr für HFA. Der Kerndruck des Hochs über Nordeuropa ist naturgemäss im Sommer mit 1025 hPa weniger ausgeprägt als im Winter, aber nicht weniger effektiv: Es sorgt im Norden für verbreitet stabiles und mässig warmes Sommerwetter, perfekt für Ostsee-Urlauber. Der Süden wird hingegen immer wieder mal von Kaltlufttropfen heimgesucht und weist somit einen wesentlich wechselhafteren Wettercharakter auf, insbesondere im Osten wo sich das Tief am östlichen Fuss des Omegas befindet. Auch der westliche Fuss schickt Störungen nach Westeuropa, die aber vergeblich anrennen (Frontenfriedhof über Frankreich).
Markante Wettererscheinungen, Unwetterpotenzial
Während diese Wetterlage im Sommerhalbjahr vor allem im nördlichen Mitteleuropa Garant für ruhiges und gemässigt temperiertes Wetter ist, kann sie im Winterhalbjahr für Extreme sorgen. Vor allem dann, wenn es gelingt, das sibirische Kaltluftreservoir anzuzapfen, sind Rekorde in Reichweite. So geschehen im bereits oben gezeigten Fall vom Februar 2012, als das Temperaturmittel in Bern über mehrere Tage bis zu 14 Grad unter der Klimanorm 1991-2020 aufwies. Dabei sorgte das extrem starke Hoch mit seinem Überdruck für eine derart starke Ostströmung, dass es am Genfersee zu einem mehrtägigen Bisensturm kam und das aufgepeitschte Wasser die Uferpromenade in eine Eislandschaft verwandelte. Im Normalfall verlaufen aber diese Wetterlagen auch im Winter wesentlich gemässigter, dann ist es einfach tagelang bei Nordostwind frostig und bedeckt durch Hochnebel. Sonne findet man dann meist erst oberhalb von 1500-2000 m.
Auswirkungen auf den Vogelzug
Die GWL HFA löst im Herbst starken Vogelzug mit Rückenwind aus, allerdings findet dieser vor allem in grosser Höhe statt, wie Radardaten zeigen. Im sichtbaren Bereich bodennah ist hingegen keine auffällig starke Nutzung dieser Wetterlage festzustellen, da sie im Herbst häufig mit Nebel oder Hochnebel einhergeht. Im Frühling wirkt der starke Gegenwind vor allem bei Südwestziehern trotz besseren Sichtbedingungen als im Herbst als Bremse.
Grundlagen:
Katalog der Großwetterlagen Europas (1881-2009) nach Paul Hess und Helmut Brezowsky
Statistik der Grosswetterlagen aufgeschlüsselt nach Monat und Gesamtjahr im Zeitraum 2001-2020
Wulf Gatter: Vogelzug und Vogelbestände in Mitteleuropa, erschienen im Aula-Verlag, 2000
Das Projekt “Grosswetterlagen” wurde ermöglicht durch grosszügige Spenden von Privatpersonen während der Einnahmen-Ausfälle durch das übliche Wetterberatungs-Geschäft für kulturelle und sportliche Anlässe als Folge der Corona-Pandemie. Diese Zuwendungen ermöglichten die zeitaufwändige Datenerfassung und das Verfassen der Grafiken und Texte – eine sinnvolle Beschäftigung während der unfreiwillig zur Verfügung stehenden Freizeit. Falls auch Sie dieses Projekt unterstützen möchten, können Sie dies mit einem frei wählbaren Betrag durch die unten stehenden Möglichkeiten tun. Vielen Dank!
Falls Sie kein PayPal-Konto besitzen, können Sie direkt auf eines der angegebenen Konten unter den Kontaktdaten einzahlen.