Der November ist gemeinhin nicht gerade dafür bekannt, dass er besonders attraktive Fotomotive liefert. Das bunte Herbstlaub modert am Boden vor sich hin, die Tage sind kurz und winterliche Landschaften findet man vorerst nur im Hochgebirge, wo die Pässe bereits geschlossen und die Bergbahnen in Revision sind. Das häufige Nebelgrau langweilt selbst manchen Wetterinteressierten – zu Unrecht, wie dieser Beitrag aufzeigen soll. Allerdings muss sich – wer die fast schon meditativen Eindrücke live geniessen möchte – die Lokalität entsprechend der Wetterlage sehr genau aussuchen und etwas beweglich sein.
Etwas Grundlagenwissen kann dabei nicht schaden, wenn man am Zielort angekommen nicht enttäuscht werden möchte, weil sich die Lage nicht so wie erwartet präsentiert. Die Höhe der Nebelschicht ist nämlich weitgehend vom Wind und von der Ausrichtung des Tals zur Windrichtung abhängig. Diese wiederum stellt den Druckausgleich vom Hoch ins Tief dar, wobei der Talverlauf eine Ablenkung der Windströmung verursacht und lokale tageszeitliche Strömungen auftreten können. Ins Tal einströmender Wind verursacht einen Anstieg des Nebels, während aus dem Tal ausfliessender Wind eine Absenkung zur Folge hat. Die folgende Bildstrecke soll anschaulich darauf eingehen.
Die Tour startet in Habkern, einem Bergdorf auf knapp 1100 m nördlich von Interlaken im Berner Oberland. Das Tal steigt von Südwest nach Nordost an, die Tour führt dem Sonnenhang entlang nach Westen bis auf maximal 1400 m und endet in Beatenberg/Waldegg auf 1200 m.
Die Temperaturinversion ist hier extrem spürbar: Im Nebel liegt die Temperatur um den Gefrierpunkt, darüber beträgt die Lufttemperatur im Schatten +8 Grad.
Was ist geschehen? Die Sonne hat den Höchststand überschritten, der nach Südosten gerichtete Hang wird zunehmend schattig und somit nicht mehr so stark erwärmt. Die Thermik setzt aus und die Nebelobergrenze wird ruhiger, aufsteigende Nebelfetzen sind seltener.
Nur wenige Schritte abwärts sind nötig, um wieder ins kühle und feuchte Grau einzutauchen. Der Schatten der Fotografin weist einen Heiligenschein (eine so genannte Glorie) auf. Nicht etwa, weil sie besonders brav ist, sondern weil sich das reflektierende Sonnenlicht in den feinen Nebeltröpfchen beugt. Der Effekt ist ähnlich wie beim Regenbogen, allerdings ist der Radius bedingt durch den wesentlich geringeren Tropfendurchmesser als bei Regen kleiner:
Der Raureifbesatz auf der Schneeoberfläche weist darauf hin, dass vor kurzem die Nebelschicht noch höher gelegen sein muss. Der friedliche Eindruck täuscht allerdings: Der Boden unter dem Schnee ist noch nicht gefroren und die Kuhtritte auf der Weide sind mit Wasser gefüllt – eine unsichtbare Falle für Wanderer und Folge des milden, aber auch sehr nassen Herbstes 2013:
Drückte am Vormittag noch ein Hoch nördlich der Alpen den Wind in die Täler der Alpennordseite, so bewirkt das nach Osten abziehende Hoch nun einen Druckfall nördlich der Schweiz und eine Windumkehr auf Süd – der Wind und somit auch der Kaltluftsee fliesst aus den Tälern hinaus.
Microwave am 6. November 2020 um 23:26 Uhr
Mega anschaulich und gut erklärt!
Jetzt verstehe ich das, Bise weht natürlich vorallem unter dem Hochnebel, und nicht über ihn drüber weg.
Grüsse – Microwave