Was wurde dem Januar 2025 nicht alles angedichtet: Kalt soll er gewesen sein und langweilig, weil zu trocken. Mag am einen oder anderen Ort vielleicht zutreffen, wenn man nur die Lokalbrille auf und die Winter der 1980er bis frühen 2010er Jahre nicht in Erinnerung hat, doch dafür gibt es ja unseren Blick über den Tellerrand hinaus. Selbst in den nebligen Niederungen der Deutschschweiz beträgt die Abweichung zum Mittel 1991-2020 plus 1.44 Grad. Im föhnigen Altdorf war dieser Januar gar der neuntwärmste in der Messreihe seit 1864, im nichtföhnigen Genf der siebtwärmste. Nimmt man nur jene Gebirgsstationen der Schweiz mit einer bis 1864 zurückgehenden Messreihe, liegt die Abweichung bei +1.66 Grad, in Österreich zeigt die Karte (eine Textauswertung hat die ZAMG auch am vierten Tag des Monats noch nicht zustande gebracht) in höheren Lagen verbreitet eine Abweichung zwischen 2.5 und 3.5 Grad. Auch in diesem Januar purzelten wie bereits im Vorjahr an etlichen Stationen die Wärmerekorde seit Messbeginn. Ja, das ist ein „Winter“ nach neuer Definition, und wir haben uns offenbar bereits daran gewöhnt.

Schöner kann ein Jahr nicht beginnen: An Neujahr waren Polarlichter bis in den Alpenraum gut sichtbar (Bildquelle: foto-webcam.eu)
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den Januar, erstellt am 1. Januar, lautete wie folgt:
Eine Hochdruckanomalie soll sich vom Nordmeer über Mittel- bis nach Südosteuropa erstrecken, was insofern bemerkenswert ist, als dass die Mittelfristmodelle in diesem Bereich für das erste Monatsdrittel überwiegend Tiefdruck sehen. Somit muss in der Folge eine länger anhaltende Hochdrucklage das Monatsmittel deutlich ins Plus ziehen. Das war der Stand 31.12. 12z, heute 00z sieht das schon wieder komplett anders aus. Die reinste Lotterie also, aber man muss sich ja irgendwann mal für ein Szenario entscheiden…
Die Verteilung der Temperaturabweichung ist relativ chaotisch: Umrahmt von positiven Abweichungen insbesondere in Skandinavien und Südwesteuropa erstreckt sich eine Zone negativer Abweichung von England über die flachen Gebiete Mitteleuropas bis nach Südosteuropa. Dies dürfte hauptsächlich durch bodennah produzierte Kälte im Hochdruckgebiet zustande kommen, wie in der Altjahrswoche eindrücklich vordemonstriert. Für höher gelegene Gebiete Mitteleuropas werden entsprechend leicht positive Abweichungen gerechnet. Schlussendlich wird für die Flächenbilanzen bei der Temperaturabweichung ausschlaggebend sein, ob eher die gradientarmen und windschwachen Hochdrucklagen oder die Tiefdrucklagen mit Durchmischung und wolkenreichen Nächten über den Gesamtmonat die Oberhand gewinnen. Langer Rede kurzer Sinn: Es ist schlicht unprognostizierbar.
Bei zwei Dritteln des Monats Hochdruckeinfluss wie in unserem ausgewählten Modelllauf gerechnet, fällt die Niederschlagsbilanz in weiten Teilen Mitteleuropas deutlich negativ aus. Nach dem inzwischen recht gesicherten nassen ersten Monatsdrittel dürfte in der Folge bis zum Monatsende kaum noch etwas fallen. Unnötig zu erwähnen, dass auch dies äusserst unsicher ist. Ebenso unsicher sind die zu nass berechneten Gebiete von den Azoren über die Kanaren bis teilweise in den Mittelmeerraum, da dürfte die Verteilung der Niederschläge eher zufällig werden. Etwas klarer scheint die Lage an der mittleren und nördlichen Küste Norwegens zu sein, die sich am Rand des Hochs häufig in einer Nordwestströmung befinden dürfte.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Bodendrucks gegenüber dem langjährigen Mittel:
Bis zum 22. Januar war die Prognose nahezu perfekt. Danach folgte die zweite Tiefdruckphase des Monats, die nicht in der Prognose eingepreist war. Als Folge davon bilanziert im Monatsschnitt eine Tiefdruckrinne quer durch das nördliche Mitteleuropa, welche die ursprüngliche Hochdruckbrücke zwischen Island und Südosteuropa durchbrechen konnte. Eine Unsicherheit, auf die im Prognosetext hingewiesen wurde – nur leider kann man etwas, das die Modelle so nicht rechnen, auch nicht zeigen. Der Realität am nähesten kam dieser Lauf; die Tiefdruckrinne sitzt jedoch etwas zu südlich, was in ganz Mitteleuropa einen deutlich unterkühlten Januar zur Folge gehabt hätte, wovon wir weit entfernt waren.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur in rund 1500 m zur Klimanormperiode 1991-2020 (oben Prognose, unten Analyse):
Kleine Verschiebung, grosse Wirkung: Besagte Tiefdruckphase gegen Ende des Monats schaufelte derart warme Luftmassen aus Südwesten nach Osteuropa, dass die Temperaturskala dort beinahe gesprengt wurde. Ansonsten lag die Temperaturverteilung nicht schlecht, am ehesten sticht noch die negative Abweichung über dem Nordmeer ins Auge. Zwei Mal gelangten tropische Luftmassen (am 5. Januar aus der Kapverden-Region, am 24./25. aus dem Golf von Amerexiko) nach Mitteleuropa. Etwas, das nach Lehrbuch gar nicht vorkommen sollte, seit etwa zwei Jahren aber wiederholt auftritt. Solch tropische Grüsse mit bisher für uns nahezu unbekannten Luftmassen sorgen dann auch für Überraschungen, denn Tropikluft weist insbesondere in Sachen Feuchtigkeitsgehalt Eigenschaften auf, welche die Wettermodelle für unsere Breiten an den Anschlag bringen, was die Niederschlagsmengen betrifft, nahezu sommerlich anmutende Gewitter im (vor allem südlichen) Alpenraum inklusive.
Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1991-2020 (oben Prognose, unten Analyse):
So erstaunt es dann auch nicht, dass aus dem vorhergesagten deutlich zu trockenen Monat ein strichweise sehr nasser wurde, wobei alleine am 27. Januar quer durchs Schweizer Mittelland und bis weit nach Bayern hinein 30 bis 50 mm runterprasselten, während es wenige Dutzend Kilometer daneben am föhnigen Alpenrand nahezu trocken blieb. Konstanz bilanziert 224 % des langjährigen Januar-Niederschlags, der Grossraum München um 170 % und das Berchtesgadner Land gerade mal 30 %. Für den weiteren spannenden Überblick im Detail sei ein Blick in die Karten der Landeswetterzentralen empfohlen: Schweiz, Österreich, Deutschland.
Kurzum: Langweilig weil überwiegend hochdruckbestimmt war der Januar 2025 ganz bestimmt nicht, auch wenn in der Mitte eine zehntägige Hochdruckphase mit viel Hochnebel genau diesen Eindruck hinterliess:
18 nasse Tage stehen nur 13 trockenen gegenüber und immerhin an vier Tagen hatten wir so etwas wie echten Winter, und nicht nur wie an den meisten gelben Tagen etwas „Bodenfrost“ mit frühlingshaften Temperaturen oberhalb der Inversion. Eindrücklich ist, wie bereits der erste Monat des Jahres den jüngsten Trend des starken Anstiegs von Südwest- und Südlagen fortsetzt: Sie nahmen genau die Hälfte des Monats ein. Auf diese Weise ist natürlich kein echter Winter zu machen…
Die Langfristprognose für den Februar findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
Diese Seite ist bewusst werbefrei gehalten, um die Unabhängigkeit des Informationsgehaltes zu gewährleisten und nicht von den Inhalten abzulenken. Der kostenlose Zugang zu Informationen ohne boulevardeske Verzerrungen beim Thema Wetter und Klima ist uns sehr wichtig. Mit einer freiwilligen Spende unterstützen Sie die Arbeit von fotometeo.ch in einem schwierigen Marktumfeld und sichern das Fortbestehen des Blogs. Vielen Dank!
Noch besser, weil für die Empfängerin spesenfrei, sind direkte Einzahlungen auf eines der angegebenen Konten unter den Kontaktdaten.
Spendenbarometer (fotometeo und orniwetter zusammen, Erklärung siehe hier):