Grob kann man den November 2024 in zwei Hälften aufteilen: Auf eine erste, hochdruckbestimmte und sehr trockene Hälfte folgte eine regelrechte Achterbahnfahrt. Eine ausgeprägte Luftmassengrenze am 21./22. November sorgte vom westlichen und zentralen Alpennordrand bis Basel für neue Rekorde bei den Novemberschneehöhen (z.B. 42 cm in Luzern). In einigen Städten – allen voran Bern – lief beim ÖV zwei Tage lang so gut wie gar nichts mehr. Nur drei Tage später wurden im Jura (Delémont) 22.0 und im Schwarzwald (Baden-Baden) 22.3 Grad gemessen, letzteres ist deutschlandweiter Rekord für das letzte Novemberdrittel seit Messbeginn. In den Niederungen weiter Teile Mitteleuropas ergibt dies temperaturmässig einen völlig normalen November im Vergleich zur Normperiode 1991-2020, während die Abweichungen auf den Bergen um +2 Grad über der Norm liegen. Dort lag auch die Sonnenscheindauer meist um 150 % der Norm, während die nebligen Niederungen meist unterdurchschnittlich besonnt wurden.
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den November, erstellt am 01.11.2024, lautete wie folgt:
Von den CFS-Läufen den jüngsten herauszupicken, der auch vom europäischen Modell gestützt wird, war schon häufig eine gute Strategie, also verfolgen wir diese auch heute wieder. Er rechnet mit einer starken, aber nicht extremen Hochdruckanomalie über ganz Mittel- und Südeuropa, wobei die neutrale Grenze in einem weiten Bogen von den Azoren über Irland und Südskandinavien zum Baltikum verläuft. Nördlich davon werden negative Druckanomalien gerechnet mit Zentrum rund um Island und einer mässigen Austrogung bis nördlich der Azoren. Interpretiert werden muss das so, dass die Hoch Mitteleuropa-Lage (kann auch mal ein paar Tage Süd antizyklonal sein) in etwa ab dem 11. November von Südwest- und Westlagen abgelöst wird, wobei sich nach aktuellem Stand um den 20. herum noch mal eine weniger stark blockierende Lage einstellen kann. Nebst Hoch, West, Südwest und ein wenig Süd haben also nicht viele Grosswettertypen Platz in diesem November, womit sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die Träume so mancher „Langfristexperten“ zerschlagen werden, dass in diesem November ein früher Wintereinbruch stattfinden wird (jährlich grüsst das Murmeltier…).
Anders als in den letzten beiden Jahren wird kein kaltes Skandinavien gerechnet, ganz im Gegenteil: Hier sollen die höchsten positiven Abweichungen von bis zu fünf Grad zur Klimanorm auftreten – kein Wunder bei fast permanenter Zufuhr atlantischer Luftmassen, verstärkt durch Föhneffekte östlich des Skandi-Gebirges. Stattdessen ein kaltes Grönland, wobei mir die Rechnung von CFS deutlich übertrieben scheint. Im oft hochdruckbestimmten und somit von Inversionen geprägten Mitteleuropa werden immer noch positive Abweichungen um zwei Grad herum gerechnet, in den Höhenlagen kann es aber auch deutlich mehr sein, in nebelanfälligen Gebieten weniger. Die negativen Anomalien in Südosteuropa sind dem Kaltluftausbruch geschuldet, der zu Monatsbeginn östlich um unser Blockadehoch herumgeführt wird und dann auch Nordafrika erreichen soll – die dargestellten Abweichungsbeträge dürften aber wie so oft übertrieben sein, CFS kann einfach keinen Klimawandel.
Komplett trocken wie 2011 bleibt der Alpenraum nach dieser Rechnung nicht, einzelne Rechnungen in diese Richtung sind aber im Modellpool durchaus vorhanden. Entlang von Nord- und Ostsee können die West- bis Südwestlagen ab der Monatsmitte durchaus leicht überdurchschnittliche Mengen bringen, sowieso an allen Westküsten Europas, insbesondere Norwegen. Dem Südosten Spaniens würde man wünschen, die Sintflut bald überstanden zu haben. Leider bleibt der Mittelmeerraum aufgrund der bereits erwähnten, ums Mitteleuropahoch herumgeführten Höhenkaltluft anfällig für kräftige Schauer und Gewitter, was sich aufgrund der viel zu hohen Wassertemperaturen insbesondere in der Westhälfte so schnell nicht ändern wird.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Bodendrucks gegenüber dem langjährigen Mittel:
Das mit der Glückssache bei den Oktoberprognosen gilt nur wenig eingeschränkt auch für den November – und zwar immer dann, wenn sich die Zonalisierung der nordhemisphärischen Zirkulation verzögert wie in diesem Jahr. Da dies in den letzten Jahren eher die Regel als Ausnahme war, muss ich mich diesmal an der eigenen Nase packen. Wurde diesmal die Druckschaukel Nordost-/Mitteleuropa perfekt vorhergesagt, kam auf dem Atlantik ziemlich das Gegenteil der Prognose heraus. Die Auswirkung auf Mitteleuropa beschränkte sich zwar auf die zweite Monatshälfte, führte dann aber doch dazu, dass ein imposanter Kaltluftvorstoss – wenn auch nur für wenige Tage – zu einem Wintereinbruch führte, den ich zu diesem frühen Zeitpunkt um den 20. November nicht für möglich gehalten hätte. Da wir wissen, dass Langfristprognosen nicht zur Erkennung von Extremereignissen und Rekorden taugen, ist das verschmerzbar, wenn auch ägerlich.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur in rund 1500 m Höhe zur Klimanormperiode 1991-2020 (oben Prognose, unten Analyse):
Bei den Temperaturprognosen liegen die Abweichungen von der Prognose dann wiederum im vertretbaren Rahmen. Die grobe Verteilung mit deutlich positiven Abweichungen von Südwest- bis Nordosteuropa und einem eher zu kalten Südosteuropa stimmt recht gut, die für Grönland prognostizierte Kälte ist etwas nach Osten gerutscht. Allerdings hat der Wintereinbruch zu Beginn des letzten Novemberdrittels die erwartete Abweichung in Mitteleuropa um etwa ein Grad runtergedrückt.
Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1991-2020 (oben Prognose, unten Analyse):
Auch beim Niederschlag könnten die Abweichungen von der Prognose angesichts der unstimmigen Druckverteilung schlimmer sein. Die Niederschlagsschwerpunkte nördlich der Azoren und an der norwegischen Westküste wurden recht gut erfasst, ebenso die Trockenheit im zentralen Mittelmeeraum. Diese erstreckt sich ebenfalls bis auf die Alpen vom Tessin über Graubünden, Tirol und weiter nach Osten. Die Spekulation über einen völlig trockenen Oktober war nicht völlig an den Haaren herbeigezogen: Am östlichen Alpenrand wurde stellenweise nur 1 mm im ganzen Monat registriert (z.B. Wiener Neustadt sowie Seckau in der Steiermark). Die hoch aufgelösten Karten der Landeswetterzentralen sind nicht zuletzt deshalb wie immer interessant: Schweiz, Österreich, Deutschland.
Der temperaturmässig „normale“ November zeigt sich auch in der Verteilung der Witterungstypen: 22 Tage fallen in die Kategorie „normal temperiert“, mit fünf zu drei Tagen sind die Extreme ebenfalls relativ ausgeglichen. Immerhin zehn feuchte Tage wurden auf der westlichen Alpennordseite registriert – je weiter inneralpin und nach Osten, umso weniger aussagekräftig ist obige Statistik. Die Verteilung der Grosswettertypen ist unauffällig für einen November, der stets den Übergang vom meridionalen Herbst zum zonalen Winter bildet.
Die Langfristprognose für den Dezember findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
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