In der ersten Hälfte wollte der November seinem Vormonat in nichts nachstehen und war bezüglich Temperatur und Sonnenschein auf Rekordkurs, doch dann hat jemand das Licht ausgeknipst. Während man um den 20. herum im Süden noch mal etwas Goldenen Oktober nachholte, herrschte in der Mitte Deutschlands vorübergehend tiefster Winter. Die Kaltluft schaffte es allerdings nicht in den Süden, sodass hier einmal mehr ein Monat mit keinem einzigen kalten Tag registriert wurde. Mancherorts blieb der gesamte meteorologische Herbst frostfrei und einzelne Stationen am Rhein und im Saarland bekamen sogar das Kunststück hin, nicht mal Bodenfrost zu messen.

Seit zwei Jahrzehnten verschiebt sich der Goldene Oktober zusehends in den November, 2022 setzte aber eine neue Marke: Buchen auf dem Höhepunkt der Verfärbung an der Aare bei Bern (520 m) am 20.11.2022
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den November, erstellt am 31. Oktober, lautete wie folgt:
Die Abweichung des Bodendrucks gegenüber der langjährigen Norm zeigt eine zonal ausgerichtete negative Anomalie von der Südspitze Grönlands über Island und das Nordmeer hinweg bis nach Nordwestrussland. Dem gegenüber wird für ganz Mittel- und Südeuropa eine positive Anomalie gerechnet, in dessen Zentrum sich der Alpenbogen befindet. Die Frontalzone soll im Schnitt von Nordirland über Dänemark bis ins Baltikum verlaufen. Die häufigsten Grosswettertypen bei dieser Konstellation sind West und Südwest, oft antizyklonal geprägt bis hin zur Hochdruckbrücke Mitteleuropa, gelegentlich unterbrochen durch eine kurze Troglage (z.B. gleich am 4./5. November).
Negative Temperaturanomalien sucht man wie eingangs angedeutet fast vergebens auf dem europäischen Kontinent. Das kalte Schwarze Meer ist ein Modellartefakt, das uns bereits seit einem Jahr in die Irre zu führen versucht, bleiben also noch ein paar blasse Flecken an den Küsten Westeuropas, wo die über dem warmen Atlantik abgemilderte Polarluft aus Grönland gelegentlich auftreffen soll. Abweichungen von 2-3 Grad über der Norm dürften auch in diesem Monat in Mitteleuropa verbreitet zu finden sein, in Nordosteuropa können es bis zu 6 Grad sein.
Die nördlicher als üblich im November verlaufende Frontalzone bedient hauptsächlich Irland, Schottland und Südnorwegen mit reichlich Niederschlägen, vielleicht bleibt auch etwas davon an unseren Mittelgebirgen oder am Alpennordrand hängen. Ansonsten sieht es eher trocken aus, das gilt insbesondere für die flachen Gebiete östlich der Alpen bis nach Südosteuropa. Abgetropfte Tiefs sorgen im Mittelmeerraum für die im Herbst üblichen Niederschläge, die aufgrund der sehr hohen Wassertemperaturen wohl ergiebiger als normal fallen dürften.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Bodendrucks gegenüber dem langjährigen Mittel: Das ging dann wohl wieder mal ordentlich in die Binsen… Nicht mal die Zirkulationsform wurde richtig erfasst, es stimmt schlicht überhaupts nichts. Wobei dafür alleine die zweite Monatshälfte mit dem massiven Hochdruck über Skandinavien verantwortlich war und die zuvor herrschenden Verhältnisse mit überwiegend West- und Südwestlagen völlig auf den Kopf stellte. Die erwartete Hochdrucklage über Mitteleuropa dauerte im Übergang zur Monatsmitte genau drei Tage, das Hoch vertschüsste sich auf schnellstem Weg nach Nordosten – mit dem hier sichtbaren Resultat.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur 2 Meter über Boden zur Klimanormperiode 1991-2020 (oben Prognose, unten Analyse): Bei einer derart vermurksten Prognose der Druckverteilung ist es fast erstaunlich, dass nicht auch noch bei den Temperaturen der GAU eintraf. Nur in Nordosteuropa und auf Grönland war die Prognose komplett falsch, in weiten Teilen Europas und auch auf dem Atlantik traf ungefähr das ein, was erwartet wurde – was wiederum nicht schwierig ist, weil hier die Abweichung der Wassertemperatur des Atlantiks den Takt vorgibt. Trotz der markanten Hochdruckabweichung in Nordeuropa waren eben über weite Strecken des Monats doch Luftmassen aus West bis Südwest massgeblich, und von dort kann derzeit nur Wärme herkommen. Bei der negativen Temperaturabweichung von der Davisstrasse über die Labradorsee bis in den zentralen Nordatlantik stellt sich die Huhn-Ei-Frage: Triggert der Kaltluftstrom die Tiefdruckdominanz oder umgekehrt? Sowohl als auch, das ist ein sich selbst erhaltendes System. Daher würde es erstaunen, wenn die aktuelle Hochdruckblockade in diesem Gebiet nachhaltig wäre.
Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1991-2020 (oben Prognose, unten Analyse): Die grösste Fehlprognose findet man auch beim Niederschlag logischerweise in Nordeuropa, wo ausser in Südnorwegen die Verhältnisse auf den Kopf gestellt wurden. Sehr schön sind die Luv- und Leegebiete der Ostströmung zu erkennen: Die Niederschläge stauten sich an den Ostküsten von Grönland und Island, während an der norwegischen Küste und im Westen Islands überwiegend Föhn herrschte. Wiederum gut prognostiziert wurden die Niederschläge im Mittelmeer. Komplexer gestaltet sich die Lage wie so oft im Alpenraum und in Deutschland. Wer sich von obiger Karte nicht in die Irre führen will, konsultiert die detaillierten Analysen der Landeswetterdienste: Schweiz, Österreich, Deutschland.
Wie schon der Oktober blieb auch der November fast ohne Einfluss polarer Luftmassen und Wetterlagen aus dem Nordsektor:
Am ehesten hätte man noch die beiden unbestimmten Tage am 4./5. November als Nordlage (Trog Mitteleuropa) klassifizieren können, doch eben: Die zwei Tage eingeklemmt zwischen zyklonalen Südwestlagen reichen nicht aus, um „Grosswetterlage“ genannt zu werden. Hier wird die Prognose mit überwiegend West-, Südwest- und Hochdrucklagen wieder gerade gerückt, auch wenn bedingt durch den Hochdruckblock im Nordosten natürlich die Winkelwest- und südliche Westlage nicht auf dem Schirm war. Die grösste Fehlprognose lag darin, dass es sich hierbei mit Ausnahme der drei Tage Hoch Mitteleuropa durchwegs um zyklonale Lagen handelte. Was sich wiederum in den 20 feuchten Tagen widerspiegelt, auch wenn diese wiederum vielerorts nur geringe Niederschlagsmengen brachten, sodass der November strichweise zu trocken bilanzierte. Nicht umsonst wird Winkelwest von mir gerne als „vermurkste Westlage“ bezeichnet.
Die Langfristprognose für den Dezember findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
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