Bisher hat sich der Februar ganz brav an unsere Prognose vom 31. Januar gehalten – doch bleibt das auch so? In den letzten Jahren haben wir meist die Lichtmess-Regel herbeigezogen, um den Charakter des verbleibenden Restwinters zu ergründen. Da es dieses Jahr in der ersten Februarwoche weder schneereich und stürmisch, noch “lind und klar” war, taugte die Regel nicht, also muss nach Alternativen gesucht werden. Auf eine ist recht gut Verlass: “Der Feber muss stürmen und blasen, soll das Vieh im Lenze grasen”. Dem gehen wir gleich mal auf den Grund.

Der erste Tag mit antizyklonaler Westlage unterscheidet sich im Himmelsbild deutlich vom Hoch Mitteleuropa zuvor (Gümligen, 16.02.2023)
Die der Regel “Der Feber muss stürmen und blasen, soll das Vieh im Lenze Grasen” zugrunde liegende Logik ist rasch erklärt: Stürmen und blasen kann es in Mitteleuropa fast nur aus westlicher Richtung, also vom milden Atlantik her, und das bedeutet im Winter nun mal Tauwetter und zwar in der Regel bis weit hinauf. Die wärmsten Februare der jüngsten Vergangenheit waren extrem von West- bis Südwestlagen geprägt, so zuletzt 2022 und 2020, aber auch 1990, der aus 12 Tagen West zyklonal und je 8 Tagen Südwest zyklonal und antizyklonal bestand. Viel milde Atlantikluft bringt in aller Regel auch genügend Niederschlag, sodass die Wiesen bald üppig ergrünen und im Lenz (damit dürfte der März gemeint sein) Vieh und Bauern gleichermassen erfreuen. Sonniges und windschwaches Hochdruckwetter wie in der vergangenen Woche hingegen sorgt zwar für angenehm milde Tage, die klaren Nächte machen das aber mit zuverlässig mässigem Frost gleich wieder zunichte.
Die aus dem bisher trockenen Februar hervorgehende Schneearmut in den West- und Zentralalpen schürt bereits jetzt wieder die Besorgnis um mangelnde Schneeschmelze und somit niedrige Wasserstände im Frühling und Sommer, auch wird das Grundwasser im Flachland mangels Niederschläge nicht aufgefüllt. Abhilfe wäre daher dringend vonnöten und so stellt sich die Frage, ob in den nächsten Wochen die in den letzten Jahren bis in die erste Märzhälfte recht zuverlässige Westwindphase noch zuschlägt. Das Hochdruckbollwerk wäre schon mal geknackt, eine positive Nordatlantische Oszillation (NAO+) hat sich eingestellt:
Allerdings bekommt das südliche Mitteleuropa mit der antizyklonalen Variante der aktuellen West- und dann Nordwestlage nur die Reste vom reichhaltigen Wind- und Niederschlagsmenü ab, von den Alpen ganz zu schweigen: Ein paar Schneekrümel oberhalb von etwa 1500 m helfen da auch nicht wirklich weiter. Bereits ab Mitte nächster Woche kippt das Regime wieder auf NAO- und dann wie gehabt Block. Ab etwa 5. März lässt sich dann gar nichts mehr herauslesen: Welches Regime sich da durchsetzen könnte, ist bei der fast ebenbürtigen Aufteilung reinste Lotterie. Dabei sah das in der Prognose vor drei Wochen noch ganz anders aus, da konnte man auf den zu dieser Jahreszeit üblichen atlantischen (blauen) Einfluss hoffen:
Was ist in der Zwischenzeit geschehen? Nun, die bereits seit Ende Dezember herbeispekulierte Schwäche des stratosphärischen Polarwirbels erreicht in diesen Tagen doch noch einen Höhepunkt: Seit dem 16. Februar stecken wir in einer raschen stratosphärischen Erwärmung (sudden stratospheric warming, kurz: SSW), das dadurch definiert ist, dass der Zonalwind um den 60. nördlichen Breitengrad in ca. 30 km Höhe negativ wird, also Ostwinde vorherrschen:

Quelle: weatheriscool.com (die aktuelle blaue Linie ist falsch beschriftet, müsste natürlich 2022-2023 heissen)
Diese Zonalwindumkehr in grosser Höhe soll abgesehen von einer kleinen Erholung nächste Woche bis Anfang März bestehen (grüne Linien = GFS-Ensemble) und laut CFS erst Mitte März wieder in die positive Westphase zurückkehren. Oder etwas anschaulicher:
Ein kleiner Rest des stratosphärischen Polarwirbels dreht sich aktuell noch um Europa herum, soll sich aber in den nächsten Tagen nach Asien verlagern und sich dann Anfang März fast zur Gänze auflösen. Die dafür bekannten “Experten” sehen darin bereits wieder einen gesicherten heftigen Wintereinbruch. Ehrlicher ist es jedoch festzuhalten, dass die Wettermodelle derartig gestauchte und geschwächte Polarwirbel schlicht nicht mögen und daher von Lauf zu Lauf die abenteuerlichsten Lösungen auftischen. Interessant ist in einem solchen Fall immer, ob sich die Zonalwindumkehr von oben nach unten durchsetzt. So richtig spannend wird es nämlich erst dann, wenn der Zonalwind auch in 500 hPa negativ wird, also in rund 5000 m Höhe, wo unser Wetter gesteuert wird. Nach aktueller Prognose könnte dies zum Monatswechsel der Fall sein:
Anfang März könnte sich das sogar bis zum Boden durchsetzen, doch sei hierbei erwähnt, dass es sich um ein Mittel der gesamten Nordhemisphäre handelt und somit noch keine Aussage über die Verhältnisse in Europa darstellt. Klar ist aus heutiger Sicht: Bis Ende Februar, also im statistisch meteorologischen Winter, wird sich das nicht mehr auswirken. Ob der Märzwinter kommt, diese Spekulation überlasse ich zum aktuellen Zeitpunkt anderen, dazu gibt es von mir wie üblich hoffentlich seriösere Aussagen in der März-Prognose zum Monatswechsel. Dann erst nämlich werden wir sehen, ob sich die aktuellen Berechnungen der sich nach unten durchgreifenden Zonalwindumkehr bewahrheiten und in welchen Regionen der Nordhemisphäre sich die blockierenden Druckgebiete installieren werden und somit auch, ob wir dabei auf der kalten, warmen oder einfach nur langweiligen Seite landen.
Bleibt noch die Frage zu beantworten, ob es mit dem Februar noch was wird in Sachen “stürmen und blasen” oder zumindest ergiebiger Niederschläge. Ich mache es kurz: eher nein. Der Tiefdruckeinfluss nimmt zwar zu, also wird es wahrscheinlich auch etwas nass, aber nach wirklich ergiebigen Niederschlägen sieht es eher nicht aus (hier mal am Beispiel Bern, wo der Median der Niederschläge stets nur knapp über null steht):
Was uns dieses EZ-Ensemble auch noch verrät: Ab dem 23. Februar ist alles möglich, sowohl temperaturmässig (15 Grad oder fast Dauerfrost?) als auch in Sachen Windrichtung (was auch die Streuung der Temperaturprognose erklärt). Ähnlich chaotisch sieht es beim kanadischen Modell GEM aus. Dies ist jedenfalls ehrlicher als die vermeintliche Sicherheit von GFS, das einmal mehr fast ausschliesslich auf die kalte Variante setzt:
Ob wir hier eine Sternstunde dieses in letzter Zeit arg in Reputationsnöte geratenen Modells erleben, sehen wir, sobald die anderen Globalmodelle in den Ensembles einiger werden. Bis dahin sollte man jenen Meteorologen Respekt zollen, die ganz einfach zugeben, dass ab Mitte nächster Woche noch keine Aussage getroffen werden kann. Und wer einer auf GFS basierten Wetter-App auf den Leim geht, ist selber schuld 😉
Diese Seite ist bewusst werbefrei gehalten, um die Unabhängigkeit des Informationsgehaltes zu gewährleisten und nicht von den Inhalten abzulenken. Der kostenlose Zugang zu Informationen ohne boulevardeske Verzerrungen beim Thema Wetter und Klima ist uns sehr wichtig. Mit einer freiwilligen Spende unterstützen Sie die Arbeit von fotometeo.ch in einem schwierigen Marktumfeld und sichern das Fortbestehen des Blogs. Vielen Dank!
Noch besser, weil für die Empfängerin spesenfrei, sind direkte Einzahlungen auf eines der angegebenen Konten unter den Kontaktdaten.
Spendenbarometer (fotometeo und orniwetter zusammen, Erklärung siehe hier):