Wenn in den Niederungen die grösste Schneemenge des Winters Anfang April gemessen wird, dann weiss man nicht so recht, ob das mehr über den vergangenen Winter oder den April aussagt. Bei einem Blick auf die Schneehöhen vom 1.-3. April in manchen Regionen darf man zumindest das Wort “aussergewöhnlich” in den Mund nehmen, wenn man mit “rekordverdächtig” etwas zurückhaltend sein will: Denn die offiziell gemessenen Schneehöhen zu einem einzigen, fix festgelegten Tageszeitpunkt (frühmorgens) bergen vor allem im Frühling die Tücke, dass bis zur Messung der am Vortag gefallene Schnee zu einem grossen Teil weggeschmolzen oder zumindest stark zusammengefallen ist. Eine warme Phase mit dem ersten Sommertag in den Föhntälern gegen Monatsmitte sorgte aber dafür, dass die Spuren des späten Wintereinbruchs bis in höhere Lagen schnell verschwunden waren. Und dann war da noch der Weststurm vom 7./8. April, der an mancher Messstation die stärksten jemals in einem April gemessenen Böen brachte.

Am 19. April waren selbst auf 1300 m Höhe am Alpennordrand keine Spuren des Winters mehr zu finden (Alp Rämisgummen, Emmental)
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den April, erstellt am 31. März, lautete wie folgt:
Für die Monatsprognosen müssen auch immer die Wahrscheinlichkeiten mit einfliessen, und da gilt nun mal: Extreme sind selten und können nur berücksichtigt werden, wenn die Modelle eindeutig in eine solche Richtung tendieren (wie bei der Trockenheit im März oder der Milde im Februar, um zwei jüngste Beispiele zu nennen). Folglich kann der ausgewählte Modelllauf nur den kalten Start und eine etwas mildere Woche vor Ostern berücksichtigen und muss eine neutrale zweite Monatshälfte enthalten. Gerechnet wird mit einer deutlich negativen Geopotenzial-Anomalie mit Zentrum über der Ostsee, die auch ganz Nord- und Osteuropa umfasst. Als Gegenpol sollen positive Anomalien über Südosteuropa und über der Biskaya wirken. Die häufigsten Grosswettertypen sind Nord und Nordwest bis West im ersten Drittel, in der Folge West bis Südwest zur Monatsmitte. Die Zeit nach Ostern liegt völlig im Dunkeln und kann entsprechend der langjährigen Statistik für Überraschungen in alle Richtungen gut sein. Eher unwahrscheinlich in diesem Szenario sind lang anhaltende mitteleuropäische Hochdrucklagen oder Südlagen.
Weite Teile Europas, insbesondere das nördliche Mittel- und Osteuropa dürften bei dieser Ausgangslage deutlich (= etwa ein bis zwei Grad) unter dem langjährigen Temperaturmittel landen. Das südwestliche Mitteleuropa kommt dank des zeitweiligen Hochdruckeinflusses aus Westen wohl mit einem knappen Minus davon. Ein leichtes Plus wird in den Nordföhngebieten der Südalpen, in Teilen des westlichen Mittelmeergebiets und auf der Iberischen Halbinsel gerechnet, ein deutliches ab Süditalien ostwärts mit bis zu +3 Grad in der Südtürkei.
Die deutlichsten Niederschlagsüberschüsse werden im nördlichen Mitteleuropa, insbesondere rund um die Ostsee gerechnet, aber auch die Nordstaugebiete der Alpen und der Mittelgebirge können mit einem Plus rechnen. Eine trockene Zunge soll von der Biskaya bis knapp in die Westschweiz reichen, aber auch die Süd- und Ostalpen werden wohl leicht zu trocken. Fast gänzlich ohne Niederschlag soll es von Süditalien bis in die Westtürkei bleiben.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Drucks in ca. 5500 m Höhe gegenüber dem langjährigen Mittel:
Immerhin: Die meridionale Zirkulationsform wurde korrekt gerechnet, was allerdings im Frühling keine Kunst ist… Brauchbar ist eigentlich nur die prognostizierte Konstellation in der Osthälfte des Kontinents und im Mittelmeerraum, die zu unserem Glück (oder Leidwesen, je nach Präferenz) Mitteleuropa am stärksten beeinflusst hat, indem das Tief über Nordosteuropa wie vorhergesehen für die häufigen Nord- bis Nordwestlagen besorgt war. Mit der Leistung des Modells auf dem Atlantik kann man hingegen gar nicht zufrieden sein: Schliesslich ist für uns in der Regel entscheidend, was in unserer Wetterküche geschieht. Für die Monatsprognose in Mitteleuropa ist es aber wie im gezeigten Fall völlig unerheblich, wo das blockierende Hoch sitzt: Blockade bleibt Blockade, der Einfluss des Atlantiks auf unser Wetter ist dann einfach nahezu null.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur ca. 1500 Meter über Boden zur Klimanormperiode 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Entsprechend den Leistungen bei den Druckabweichungen waren die Prognosen für die Luftmassentemperatur ebenfalls nur in der Osthälfte des Kontinents passend, dafür aber gleich ziemlich genau mit nur leichter Verschiebung der Kälte nach Süden. Bereits in Westdeutschland und der Schweiz sorgte aber der stärkere Hochdruckeinfluss nur noch für Temperaturverhältnisse im langjährigen Mittel statt im negativen Bereich, in Westeuropa kippte die Realität dann gleich ganz ins Gegenteil der Vorhersage.
Die gemessenen Abweichungen der Monatsmitteltemperatur 2 Meter über Boden:
Hier zeigt sich, dass entlang der Alpennordseite der Einfluss der aus Nordosten eingeflossenen Kaltluft am Boden stärker war als in der Höhe, wo das Absinken im Hoch die Luftmasse erwärmen konnte. Das zeigt auch die Kennzahl der Frostnächte, die in Mitteleuropa in den Niederungen deutlich über dem langjährigen Mittel lagen. Andersrum wirkte sich die für die Jahreszeit relativ warme Ostsee mildernd auf die unteren Luftschichten aus.
Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Gar nicht so schlecht wie man anhand der Fehlprognose bei der Druckverteilung erwarten könnte, ist jene bei der Niederschlagsverteilung. Mitteleuropa wurde dank etwas mehr Hochdruckeinfluss nicht ganz so nass wie prognostiziert, auch wenn es Regionen mit deutlichen Überschüssen gab, welche diese grobe Karte nicht auflösen kann. Die Alpensüdseite hat zwar den ersten nennenswerten Regen seit Herbst erhalten, über den ganzen Monat gesehen war es aber erneut unterdurchschnittlich. Für eine bessere Darstellung der regionalen Niederschlagsabweichung empfehlen wir wie immer einen Blick auf die Karten der Landeswetterdienste: Schweiz, Österreich, Deutschland. Am auffälligsten ist das Desaster der russischen Panzer in der Nordukraine dargestellt, aber auch die Ursache der uns wiederholt heimsuchenden Saharastaub-Plage mit dem Tiefdruckeinfluss über Nordwestafrika: Wenn dort Niederschläge auftreten, ist meist auch viel Wind im Spiel..
Die Verteilung der Witterungstypen entspricht einem normalen April, wobei der verspätete Wintereinbruch zu Monatsbeginn das Mittel nach unten gezogen hat. Zwar traten auch gegen Monatsende noch mal Nordlagen auf, der fortgeschrittene Sonnenstand kann Luftmassen nördlicher bis östlicher Herkunft aber bei überwiegend antizyklonalem Einfluss tagsüber rasch auf normale Werte erwärmen. Dass die einzige kurze Westlage des Monats eine südliche war mit entsprechend aussergewöhnlich starkem Wind, passt hervorragend zu diesem launischen Monat.
Die Langfristprognose für den Mai findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
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