Da hatten wir doch in der Schweiz 2017 den zweitwärmsten Juni seit Messbeginn verkünden dürfen, dann gleich noch mal 2019, und jetzt ist es wieder so weit: 2022 ist das Gebietsmittel der Temperatur in der Schweiz wieder um ein Zehntel über die letzte Marke vor drei Jahren gestiegen (der Rekordhalter 2003 spielt mit noch mal zwei Grad mehr allerdings in einer eigenen Liga, siehe hier). Zudem wurde mit 36.9 Grad der bisherige Höchstwert aller Stationen im Juni egalisiert und weitere Stationen meldeten Juni-Rekorde, dies bereits am 19. und nicht etwa wie bei früheren Rekorden zum Monatsende. Diese frühe Hitzewelle bei gleichzeitig zweiwöchiger Trockenheit besonders im westlichen Mittelland und im Jura wurde abgelöst durch eine Serie heftiger Gewitter mit grossem Hagel und enormen Regenmengen, sodass der Monat schlussendlich doch noch vielerorts deutlich zu nass wurde.

Gewitter mit (teils grossem) Hagel gab es in der Region Bern im Juni 2022 zuhauf. Hier dasjenige vom Pfingstsonntag
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den Juni, erstellt am 31. Mai, lautete wie folgt:
Gerechnet werden im Druckniveau von ungefähr 5500 m Höhe zwei positive Anomalien: Eine im Raum Südwest- bis Mitteleuropa und eine im Bereich Nordskandinavien bis Barentssee. Zwischen negativen Druckzentren über dem Nordatlantik einerseits und Zentralrussland andererseits erstreckt sich eine schwache Rinne über das Nordmeer und das Baltikum. Das Azorenhoch wird unauffällig gerechnet. Unter diesen Höhendruckfeldern wird am Boden ausser einem leicht überdurchschnittlich starken Islandtief keine Anomalie gerechnet, was auf die typisch frühsommerliche Flachdrucklage auf dem Kontinent hinweist, bei der gelegentlich Höhentiefs für zusätzliche Labilität sorgen. Das ermöglicht nahezu alle Grosswettertypen ohne Dominanz in eine bestimmte Richtung, es besteht höchstens ein Trend zu (flachen) Hochdrucklagen und zum Sektor Südwest bis Süd.
Mit Ausnahme der Zone von Südskandinavien bis Westrussland werden die Luftmassen in ganz Europa überdurchschnittlich warm berechnet, wobei die höchsten positiven Abweichungen im westlichen und zentralen Mittelmeer sowie im Hohen Norden erscheinen. Dort werden die Abweichungen am Boden um drei bis vier Grad über der Norm 1981-2010 gerechnet, in Mitteleuropa sind es je nach Region ein bis zwei Grad plus, lokal kann auch mal die +3 drinliegen, am ehesten in Alpennähe. Angesichts des in den Mittelfristmodellen gezeigten unterkühlten Monatsdrittels muss also von Mitte bis Ende Monat vor allem im südlichen Mitteleuropa mit hochsommerlichen Verhältnissen, mitunter mit Hitzewellen gerechnet werden.
Bei der Niederschlagsabweichung zeigt die Karte einen Flickenteppich positiver und negativer Bereiche, die angesichts der flachen Druckverteilung mit Schauern und Gewittern eher zufällig in den Regionen auftreten, die Karte sollte also nicht eins zu eins für den eigenen Standort gelesen werden. Klar ist nur, dass bei diesen Verhältnissen die Bergregionen deutlich stärker bewässert werden als das Flachland. Und das kann bei einem Trend zu südlichen Anströmungen am Alpensüdhang mit gewittrigem Starkregen lokal richtig viel werden.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Drucks in ca. 5500 m Höhe gegenüber dem langjährigen Mittel:
Azorenhoch und Islandtief haben sich gegenüber der Prognose deutlich nach Norden verschoben, was auf unsere Witterung kaum Einfluss hatte. Ansonsten passt die Prognose (insbesondere über dem Kontenent) sehr gut. Die zonal ausgerichtete Schwächezone innerhalb des europäischen Blockadehochs trat nur in der ersten Monatshälfte auf und wurde danach übersteuert, sodass sie im Monatsmittel verschwindet. Dies als Folge davon, dass der stärker ausgeprägte Trog über Westeuropa mit seiner permanenten Warmluftzufuhr aus Süden das europäische Hoch in der zweiten Monatshälfte stabilisierte.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur ca. 1500 Meter über Boden zur Klimanormperiode 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse). Achtung, die NOAA hat ihre Analysen in diesem Monat auf die Normperiode 1991-2020 umgestellt. Für Mitteleuropa bedeutet dies, dass bei den Juni-Abweichungen zu 1981-2010 ungefähr ein halbes Grad draufgeschlagen werden muss:
Zusammen mit den Druckgebieten verschoben sich auch die positiven und negativen Temperaturanomalien auf dem Nordatlantik nach Norden. Auf dem Kontinent war die Prognose hingegen sehr treffsicher, wobei die Anomalie über Südeuropa schlussendlich stärker, jene im Hohen Norden hingegen etwas schwächer war als gerechnet. In Mitteleuropa wurde der Gesamtjuni sogar noch etwas wärmer als prognostiziert.
Die gemessenen (NEU!) Abweichungen zur Klimanormperiode 1991-2020 der Monatsmitteltemperatur 2 Meter über Boden:
Sowohl das Süd-Nord-Gefälle wie auch die Abweichung wurde in der Prognose für Mitteleuropa sehr gut getroffen. Diese sah für den Alpennordrand bis zu 3 Grad positive Abweichung zu 1981-2010 vor. Man beachte, dass die NOAA-Analyse neuerdings den Vergleich zur Normperiode 1991-2020 zeigt, also nicht mehr direkt mit der Klimatologie der Prognose vergleichbar ist (das wird sich mit der August-Prognose wieder einrenken, da am 3. Juli auch die Klimatologie des CSFv2 auf 1991-2020 angepasst wurde). In den Niederungen der Nordschweiz hat sich der Juni von 1981-2010 zu 1991-2020 um satte 0.8 Grad erwärmt, im deutschen Flächenmittel sind es 0.6 Grad.
Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Insbesondere in Frankreich und in der Westschweiz, aber auch auf der Alpensüdseite herrschte bis zum 21. Juni extreme Trockeheit, zusätzlich verschärft durch die Hitze. Die nachfolgenden Gewitter bis zum Monatsende brachten strichweise die doppelte normale Juni-Niederschlagsmenge (innerhalb weniger Stunden, wohlverstanden), sodass schlussendlich verbreitet ein viel zu nasser Juni resultierte. Das erinnert ein wenig an den indischen Monsun, bei dem auf extreme Hitze mit Trockenheit ergiebige tropische Regenfälle folgen. Früher wurde die Bezeichnung “europäischer Monsun” für die bisweilen sehr ergiebigen Regenfälle im Juni und Juli als Folge von Erhitzung des Kontinents gerne belächelt, da natürlich nicht direkt mit dem Monsun in den Tropen vergleichbar. Mit der rasanten Erwärmung unseres Sommers, insbesondere des Juni, bekommt dieser Vergleich aber immer mehr Berechtigung, wie das heurige Exemplar eindrücklich zeigt. In weiten Teilen Deutschlands und im Südosten Österreichs blieb es hingegen deutlich zu trocken. Für die interessanten regionalen Unterschiede verweisen wir wie üblich auf die detaillierten Karten der Landeswetterdienste: Schweiz, Österreich, Deutschland.
Da sich unsere Grafik zu den Witterungstypen auf die Alpennähe konzentriert, ist hier der Überhang an feuchten Tagen deutlich zu sehen:
Noch viel extremer ist aber die Dominanz von 17 Tagen, die als deutlich zu warm gelten können. Dem steht gerade ein kühler Tag (der 9. Juni) gegenüber, der das Kriterium dafür knapp und nicht mal an allen Stationen geritzt hat. Der deutliche Temperaturüberschuss des Monatsmittels kam also nicht nur durch die Hitzewelle zustande, sondern auch durch eine äusserst schwachbrüstige Schafskälte, was übrigens die meisten Junimonate der letzten Jahre auszeichnet. Man kann also feststellen, dass diese einstmals recht zuverlässige Singularität zunehmend an Bedeutung verliert. Interessant ist die Verteilung der Grosswettertypen, die den Juni 2022 in zwei Abschnitte aufteilt: Bis zum 17. überwiegend zonal (West und Hochdruckbrücke Mitteleuropa) mit nur einem kurzen Südeinschub an Pfingsten, und ab dem 18. bis zum Ende durchgehend Südlagen, die in der Westhälfte Mitteleuropas überwiegend zyklonal daherkamen (Trog Westeuropa und Tief Britische Inseln).
Die Langfristprognose für den Juli findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
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Microwave am 4. Juli 2022 um 22:45 Uhr
Hoi Fabienne
Ooook, dann sind da wirklich mind. 50 mm an mir vorbeigegangen.
Vom Gefühl wäre ich echt felsenfest überzogen davon gewesen dass hier in der Stadt der Juni max. halb so nass gewesen sein würde wie normal… und fast immer dann wenn ich auf den metradar schaute, sah es aus wie die Zellen mal wieder hängenblieben würden im westlichen Mittelland.
Wie einen der subjektive Eindruck täuschen kann!
Danke für die Analyse und Grüsse
Microwave