Nass-kalt zu Monatsbeginn und wieder am Ende, dazwischen viel Hochdruck mit nicht nur spätsommerlichen Temperaturen, sondern über weite Strecken sogar hochsommerlichem Charakter mit etlichen heissen Tagen über 30 Grad in den tiefen Lagen, dazu aussergewöhnlich kräftige Gewitter just zum astronomischen Herbstbeginn: Etwa so lässt sich dieser Monat kurz charakterisieren. Die Wundertüte September hat wieder mal alle Register gezogen, die man sich vorstellen kann, Wintereinbruch in den Alpen mit örtlichen Schneefällen bis in die Tallagen inklusive, notabene nur kurz nach den letzten Sommertagen.

Prägend war vor allem die hochsommerliche Phase zur Monatsmitte – hier auf der Gurnigel-Passhöhe (1610 m) in den Berner Voralpen am 14.09.2020
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den September, erstellt am 31. August, lautete wie folgt:
Der zu erwartende Grosswetterlagenmix ist komplex und wird wohl eine sehr abwechslungsreiche Angelegenheit mit vielen sehr warmen und auf der Alpensüdseite extrem nassen Südwest- bis Südlagen (haupsächlich Trog Westeuropa oder Tief Britische Inseln), die beim Durchschwenken in Trog Mitteleuropa münden (nass-kühle Tage mit Schneefallgrenze in den Alpen teils unter 2000 m). Nach dem Abtropfen von Tiefs ins Mittelmeer kann sich für einige Tage eine Hochdruckbrücke über Mitteleuropa bilden oder – falls sich das Tief im Süden rascher auflöst – eine warme und sonnige antizyklonale Westlage, bevor der Prozess mit der nächsten Austrogung über Westeuropa von Neuem losgeht. Kaum Chancen haben bei dieser Konstellation Ostlagen – falls doch, dann allenfalls kurz Südost.
Wenig erstaunlich bei permanentem Hochdruck über Osteuropa wird sich dort eine markante Wärmeanomalie ausbilden mit einem Hotspot rund ums Schwarze Meer mit wahrscheinlich einer Abweichung von mehr als fünf Grad zur Klimanorm. Diese Wärme erstreckt sich mit sinkendem Gradienten bis ins östliche Mitteleuropa. Mitteleuropa selbst dürfte im Schnitt im langjährigen Mittel oder leicht darüber landen, wobei sich wie bereits erwähnt dieses Mittel aus sehr warmen wie auch sehr kühlen Phasen bilden wird. In den Föhnregionen der Alpennordseite und inneralpin könnten Föhnlagen das Mittel nach oben treiben, bei hochreichender Feuchtezufuhr aus Süden ist dies aber keineswegs garantiert, wie die letzten Augusttage gezeigt haben. Etwas unterdurchschnittlich temperiert verläuft der Monat wahrscheinlich von Island über die Britischen Inseln und Westfrankreich bis Portugal.
In Sachen Niederschlag zeigt sich entsprechend des zu erwartenden Wetterlagen-Mixes eine komplexe Verteilung. Wahrscheinlich ist aufgrund der häufigen Tiefdrucklagen eine zu nasse Zone rund um Nord- und Ostsee zu erwarten, ebenso in den West- und Südalpen und in den Pyrenäen aufgrund häufiger Staulagen. Eher trocken wird es wohl im östlichen Alpenvorland, deutlich zu trocken in weiten Teilen Osteuropas. Kein zuverlässiges Signal in die eine oder andere Richtung ist in weiten Teilen Mitteleuropas vorhanden, hier sind also eher Niederschlagsmengen im Bereich des langjährigen Mittels oder vor allem in den Mittelgebirgen leicht darüber zu erwarten mit lokalen Unterschieden abhängig von zufälligen Schauer- und Gewittertreffern.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Geopotenzials in rund 5500 m gegenüber dem langjährigen Mittel:
Auf den ersten Blick sieht das völlig verpfuscht aus, doch schauen wir genauer hin: Die Hochdruckzentren im zentralen Nordatlantik und über Osteuropa wurden richtig vorhergesagt. Die Fehlleistung liegt im Nichterkennen der Hochdruckbrücke dazwischen. Zwar gibt es die Schwachstelle über den Britischen Inseln, durch die Tiefdruckgebiete in Richtung Mittelmeer abtropfen konnten, aber eben nicht so häufig wie erwartet – oder genauer gesagt: Es passierte nur zwei Mal zu Beginn und gegen Ende des Monats. Wir gingen von einem wechselhaften Monat aus, darunter versteht man in der Regel nicht zwei extreme Pole mit viel Hochdruck dazwischen, sondern ein stetiges Auf und Ab. Fazit: Grobstrukturell wurde das gemischte Zirkulationsmuster richtig erfasst, im Detail kam es aber anders. Ein Problem, das durch den unberechenbaren Einfluss der Hurricanes im September immer wieder auftritt und Prognosen in diesem Monat generell so schwierig macht.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur in rund 1500 m Höhe zur Klimanormperiode 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Eine feste Bank ist das warme Osteuropa: Wird das so gerechnet, dann kommt es in der Regel auch so, weil der unberechenbare Einfluss des Atlantiks nicht so weit nach Osten reicht. Durch die reduzierte Tiefdrucktätigkeit über Nordwesteuropa konnten auch weniger häufig die kalten Luftmassen im Norden angezapft werden, entsprechend wurde Westeuropa deutlich weniger kühl als prognostiziert. Interessant ist der Umstand, dass die Boden-Analyse besser zur Höhenluftmassen-Prognose passt als die Bilanz der 850 hPa-Temperatur vermuten lässt:
Mit dem stärkeren Hockdruckeinfluss über dem nördlichen Mitteleuropa war es dort auch deutlich trockener als erwartet, die prognostizierten Niederschlagsüberschüsse für Nord- und Ostsee wurden ins Gegenteil verkehrt. Sehr gut war die Prognose hingegen für den Alpenraum und das Mittelmeergebiet:
Deutlich zu nass wurde es vor allem in den Ostalpen, wobei sich diese Niederschläge auf wenige Tage verteilten. Für ganz Mitteleuropa gilt, dass auch dort, wo der Niederschlag überdurchschnittlich war, trotzdem ein deutlicher Überschuss an Sonnenscheinstunden verzeichnet wurde. Besser kommen die regionalen Unterschiede in den Karten der Landeswetterdienste zur Geltung: (Schweiz, Deutschland, Österreich).
Trotz der Fehlprognose in der Druckverteilung war die Einschätzung über den komplexen Wetterlagenmix richtig. Die Westlage war ausschliesslich antizyklonal, die drei Tage Ostlage waren Südost. Einzig der GWT Süd ist wider Erwarten nicht vorhanden, das Abtropfen fand etwas östlicher statt und mündete in Trog und Tief Mitteleuropa.
Die Langfristprognose für den Oktober findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
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