Den Widerspruch zwischen klassischem Grosswetterlagenmuster und trotzdem hohen Abweichungen der Temperatur zur Klimanorm haben wir ja bereits im Juli-Rückblick thematisiert – nun trieb es der August diesbezüglich sogar noch auf die Spitze. Auch dieser war Westlagen-dominiert, wenn auch mit mehr Hochdruckeinfluss, brachte es aber regional zum wärmsten August seit Messbeginn. Dies insbesondere im Osten, wo der bisherige Überflieger 2003 weniger extrem war, aber auch im Hochgebirge. In den Niederungen der Deutschschweiz landet der August 2024 auf Rang 2, beachtliche 0.6 Grad über dem bisherigen Platzhalter 2018, aber auch deutliche 1.5 Grad unter 2003. In Lugano wurde der Rekord von 2003 egalisiert, auf dem Säntis um 0.2 und in Samedan um 0.3 Grad übertroffen. Auch im Flächenmittel Österreichs liegt 2024 nun an der Spitze aller Augustmonate der letzten 258 Jahre. Interessant sind diese Rekorde insofern, da sie auch ohne extreme Maxima zustande kamen. 2003 war hochdruckdominiert mit einem Einbruch zum Monatsende, häufig sehr trockenen Luftmassen aus nördlicher Herkunft mit klaren Nächten und relativ tiefer Nullgradgrenze. 2024 brachte schwüle Luft aus westlichen bis südlichen Richtungen, was die Nächte weniger auskühlen liess und die Nullgradgrenze extrem in die Höhe trieb, daher auch die höchsten Abweichungen im Gebirge.
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den August, erstellt am 01.08.2024, lautete wie folgt:
Grundlage für die Prognose ist eine umfangreiche Tiefdruckanomalie zwischen Grönland und Schottland mit Zentrum knapp südlich von Island. Dem gegenüber steht eine nicht ganz so stark ausgeprägte Hochdruckanomalie, die einen Bogen von Neufundland bis nach Mitteleuropa spannt und sich mit einer Schwachstelle über Osteuropa bis in den Nahen Osten fortsetzt. Südlich dieser “Hochdruckbrücke” schliesst sich wieder normales bis leicht zu tiefes Geopotenzial über den Azoren und dem zentralen Mittelmeer an. In dieses Muster eingebettet ist eine im Schnitt überdurchschnittlich gut ausgeprägte Westströmung, die typischerweise über Mitteleuropa auch immer leicht zwischen Nordwest und Südwest pendelt. Der dominierende Grosswettertyp ist somit West, häufig antizyklonal geprägt mit kurzen Unterbrechungen durch zyklonale Vorder- und Rückseiten, mit viel Glück auch mal ein Hoch Mitteleuropa für ein paar Tage. Trogmuster mit Abtropftendenzen und sich dahinter schliessender Hochdruckbrücke sind deutlich weniger geworden, können aber nicht völlig ausgeschlossen werden. Eine mögliche Umstellung auf Nord- bis Ostlagen deutet sich erst zum Monatsende an, ist aber naturgemäss in dieser Zeitspanne mit Unsicherheiten behaftet.
Die am Südrand des kräftigen Tiefs vorherrschende Nordwest- bis Westströmung transportiert immer wieder kühle Luftmassen von Grönland in Richtung Irland und Schottland und in der Fortsetzung abgeschwächt über die Nord- in die Ostseeregion, sodass hier mit einem knappen Minus zur Vergleichsperiode 1991-2020 gerechnet werden muss. Je weiter südlich, umso häufiger sind subtropische Luftmassen mit im Spiel: Im nördlichen Alpenvorland kann mit einer Abweichung von etwa +1 Grad, inneralpin gar knapp mit +2 Grad gerechnet werden. Der bisherige Hitzepol über dem Balkan schwächt sich etwas ab, die ausgeprägteste positive Temperaturanomalie spannt nun einen Bogen von der Iberischen Halbinsel über die Alpen hinweg nach Südosteuropa. Noch wesentlich deutlichere Abweichungen um +5 Grad findet man zwischen dem Nordkap und Spitzbergen. Diese sind zusammen mit dem grönländischen Eisschild und dem zwischen diesen beiden Regionen entstehenden Temperaturgradienten von rund 30 Grad denn auch der Antriebsmotor für die Wetterlagenmuster dieses Hochsommers.
Die Niederschlagsverteilung lässt einen in der grossen Fläche recht normalen August in Mitteleuropa erwarten – lokal heftige Gewittertreffer können dabei selbstverständlich nicht in eine Langfristprognose mit einfliessen. Dramatischer als in der Realität sehen die gerechneten Abweichungen in Teilen Südeuropas aus: Da dort normalerweise im Hochsommer kaum Niederschlag fällt, kann ein einzelner Gewittertag enorme prozentuale Abweichungen bringen. Wer es gerne wirklich nass mag, wird am besten zwischen Island, Schottland und der norwegischen Küste bedient.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Geopotenzials in rund 5500 m Höhe gegenüber dem langjährigen Mittel:
Die Siebenschläfer-Regel modern ausgelegt und entsprechend den Lauf des Langfristmodells ausgewählt – in diesem Jahr hat das perfekt funktioniert: Eine bessere Prognose der Druckverteilung kann man sich fast nicht wünschen. Der einzige Unterschied ist in Nordosteuropa auszumachen, wo die Hochdruckbrücke entgegen der Prognose die Tiefdruckrinne zu unterbrechen vermochte. Die positive Abweichung des Geopotenzials lag zudem in Mitteleuropa ein wenig östlicher, wurde aber im Betrag punktgenau getroffen.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur in rund 1500 m Höhe zur Klimanormperiode 1991-2020 (oben Prognose, unten Analyse):
Die geographische Verteilung der Temperaturanomalien ist entsprechend zur Druckvereilung nahezu perfekt. Was aber zu denken geben muss: Die Abweichungen zur warmen Seite sind durchwegs höher ausgefallen als prognostiziert – ein Phänomen, das in letzter Zeit häufiger auffällt und ein Hinweis darauf ist, dass die Klimaerwärmung von den Modellen unterschätzt wird. Die Lehre daraus ist denn auch bereits in die September-Prognose eingeflossen, wo im Text darauf hingewiesen wird, dass die Abweichungen in den Karten wahrscheinlich zu sehr auf die negative Seite modelliert werden. Die gegenüber der Prognose stärkere Abweichung der negativen Anomalie südlich von Island lässt sich dadurch erklären, dass das Tief dort persistenter war als prognostiziert, was sich am Abweichungsbetrag beim Geopotenzial weiter oben ablesen lässt.
Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1991-2020 (oben Prognose, unten Analyse):
Wenig verwunderlich bei der nahezu perfekten Druckprognose, stimmt auch die Verteilung der Niederschlagsabweichungen. Schon fast verblüffend sind die nassen Flecken in Spanien und Italien, während die grobe Karte Mitteleuropa wieder mal überhaupt nicht im Griff hat. Viel besser sind die Details in den Karten der Landeswetterdienste zu sehen, wo beispielsweise der nasse Fleck in Österreich arg zusammenschrumpft: Schweiz, Österreich, Deutschland.
Mit ein Grund für die hohe Abweichung der Mitteltemperatur wurde eingangs bereits erwähnt: Kalte Phasen blieben in diesem August zur Gänze aus, die einzelnen Tage unter der Klimanorm lagen alle noch innerhalb der Standardabweichung. Nicht nur der August, sondern gar der gesamte Sommer (Jun/Jul/Aug) kam völlig ohne trockene Nord- und Ostlagen über die Runde – kein Wunder, dass es so in den Nächten weniger auskühlen konnte. Der etwas kuriose “Hitzesommer” 2024 ohne eigentliche Hitzewellen zumindest im westlichen und nördlichen Mitteleuropa war somit hauptsächlich ein nicht überraschendes Produkt der vor sich hin dampfenden rekordwarmen Meere rund um Europa. Das Mittelmeer mutiert im Sommer immer mehr zu einer Karibik und ein etwa fünf Grad wärmeres Nordmeer mit arg geschrumpftem Arktis-Eis stellt in der zweiten Sommerhälfte keine echte Kaltluft mehr bereit. Man darf somit gespannt sein, wann der Überflieger Sommer 2003 nicht nur im Osten und im Hochgebirge eingefangen wird – ein Verlauf wie 2024, jedoch ohne Schafskälte im Juni könnte dazu bereits ausreichen und ist somit nur eine Frage der Zeit…
Die Langfristprognose für den September findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
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