Rollentausch wieder mal zwischen April und Oktober in diesem Jahr. Während ersterer warm startete und kalt endete, war es im Oktober wie schon 2022 wieder umgekehrt. Gefühlt häufen sich diese inversen Temperaturverläufe in letzter Zeit, objektiv müsste man aber mal genauer auswerten, ob sie tatsächlich in der Zunahme begriffen sind. Auffällig sind diese beiden Monate allerdings schon und so erstaunt es schlussendlich nicht, dass sie in der Langfristprognose deutlich am schlechtesten abschneiden, wenn sie regelmässig die Klimastatistik aushebeln. Trotz des Schlusspurts endete der Oktober im südwestlichen Mitteleuropa verbreitet zu nass und zu sonnenscheinarm, bei der Temperatur kam in der grossen Fläche eine Abweichung von rund +1 Grad zur Klimanorm 1991-2020 heraus, was punktuell aber übertroffen wurde. Dies reicht in Basel und auf dem Säntis immerhin für Rang 7 in der Messreihe seit 1864, in Bern für den 6. Platz und im föhnigen Andermatt – mit einer Abweichung von +2.7 Grad – gar für Rang 5. Im Österreich-Mittel resultierte eine Abweichung von +2 Grad, in Deutschland +1.6 zur Klimanorm.
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den Oktober, erstellt am 01.10.2024, lautete wie folgt:
Sowohl das amerikanische wie auch das europäische Langfristmodell rechnen mit einer deutlich negativen nordatlantischen Ozillation (NAO-) mit recht konstanter positiver Luftdruckabweichung im Hohen Norden, wobei das Maximum von Südostgrönland bis ins europäische Nordmeer reicht. Dem gegenüber steht eine negative Druckanomalie, die sich zonal ausgerichtet über den gesamten Nordatlantik und Mitteleuropa erstreckt mit der höchsten Abweichung zwischen Irland und den Azoren. Über dem Mittelmeer und den Maghreb-Staaten wird die Luftdruckabweichung neutral gerechnet. Wir haben es also mit einer ausgeprägten High-over-Low-Lage zu tun, bei der Ostlagen dominieren, aber auch südliche Westlagen und Tief Mitteleuropa mit am Tisch sitzen. Die hohe Luftdruckabweichung über dem Nordmeer bei etwas geringerer über Skandinavien lässt darauf schliessen, dass zwischenzeitlich auch Nordlagen mitmischen werden. Die für diese Jahreszeit so typischen Südlagen und auch „normale“ Westlagen stehen jedoch auf verlorenem Posten.
Wechselweise Hochdruck mit klaren Nächten und Tiefdruck mit ersten Schneefällen lassen die Landmasse Nordeuropas wie in den letzten Jahren sehr früh auskühlen, hier wird denn auch die (recht plausibel) stärkste negative Temperaturabweichung gerechnet. Ein Kaltluftreservoir wird also schon mal aufgebaut, spannend ist dann immer die Frage, wie häufig es angezapft wird. Die neutralen bis leicht negativen Anomalien über Westeuropa lassen darauf schliessen, dass dies zumindest zeitweise der Fall sein wird (schon recht gesichert anhand der Kurz- und Mittelfristmodelle vom 3. bis 5. Oktober mit einer etwas vermurksten zyklonalen Nordostlage NEZ). Man darf sich aber auch in diesem Monat die Frage stellen, ob die negative Abweichung aufgrund der immer wieder aus Südwesten heranrauschenden (sub-)tropischen Luftmassen nicht doch wieder übertrieben gerechnet wird. Ich tendiere eher zu einem Mitteleuropa mit einem durchschnittlich temperierten Oktober – ob einige Zehntel über oder unter dem Nuller, sei mal dahingestellt. Auffällig ist nach wie vor die persistent gerechnete Wärmeanomalie von Südosteuropa bis zur kasachischen Steppe.
Die eingangs beschriebene starke Tropensturmaktivität zeigt sich in der Niederschlagskarte mit dem atmosphärischen Fluss, der von den Azoren nach West- und Mitteleuropa gerichtet ist und seinen Ursprung im tropischen Westafrika hat. Irgendwo rund um Pyrenäen, Alpen und dem Balkan wird also wieder mehr als die doppelte Menge an Niederschlag eines normalen Oktobers runterkommen, wobei diese Karten regionale Spitzen, insbesondere von Staueffekten während eines mehrtägigen Ereignisses, nicht auflösen können. Mit einem Katastrophenereignis irgendwo in den erwähnten Gebieten ist also zu rechnen – es würde bei dieser Ausgangslage eher erstaunen, wenn sie ausbleibt. Wen genau es treffen wird, lässt sich ebenso wie im September natürlich noch nicht regional eingrenzen.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Bodendrucks gegenüber dem langjährigen Mittel:
Nun ja… April- und Oktoberprognosen sind Glückssache, oder wenn man ganz ehrlich sein will: Man könnte es geradesogut auch bleiben lassen. Nicht vergeblich weise ich immer wieder auf die extrem schlechte Performance der Langfristmodelle dieser launischen Monate hin – der Oktober 2024 zeigt uns wieder mal weshalb. Abgesehen von der Druckschaukel Südgrönland-Nordatlantik passt diesmal überhaupt nichts, was nach der perfekten September-Prognose doch etwas unerwartet kam. Aber eben: Die meridionalen Übergangsjahreszeiten haben ihre eigenen, schwer durchschaubaren Gesetze. Immerhin passte die Aussage, dass Westlagen in diesem Monat völlig abgemeldet seien. Die dominanten Ostlagen wurden dann allerdings durch die nicht erwarteten Südlagen ersetzt, was sich auch bei den Temperaturen von Mittel- bis Nordosteuropa bemerkbar macht.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur in rund 1500 m Höhe zur Klimanormperiode 1991-2020 (oben Prognose, unten Analyse):
Viele Süd- bis Westlagen in Skandinavien statt Hochdruck- und Ostlagen, und schon verkehrt sich eine negative Temperaturanomalie ins pure Gegenteil. In Finnland zum Beispiel lag die Temperaturprognose um 5 bis 8 Grad daneben – das darf man durchaus als epic fail bezeichnen. In Mitteleuropa war die Niederlage zwar weniger krachend, aber es zeigt sich anhand dieses Beispiels wieder mal, dass Langfristmodelle eben keinen Klimawandel können: Nicht nur zu kalt prognostizierte Monate lassen sich kaum noch realisieren, inzwischen scheitert man sogar mit einer Prognose „normal temperiert“ regelmässig. Nur der April schafft das noch mit seinen Oktober-Allüren und schon fast obligaten Kälteeinbrüchen gegen Monatsende…
Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1991-2020 (oben Prognose, unten Analyse):
Skandinavien logischerweise auch beim Niederschlag genau verkehrt zu den Prognosen, stattdessen profitierte das Nordseeumfeld. Die für den Raum Pyrenäen-Südalpen-Balkan angesagten Katastrophen spielten sich ein Stück weiter südlich ab: Zum x-ten Mal innerhalb eines Jahres wurde die Emilia-Romagna getroffen, während die Abweichungskarten im Osten Spaniens nicht annähernd das wiedergeben, was sich dort abgespielt hat. Offenbar trafen die Extremniederschläge Ende Oktober dort zufällig keine primäre Klimastation. In Mitteleuropa waren die Niederschläge stark inhomogen verteilt, gut erkennen lassen sich aber Föhneffekte in manchen Tälern, im Alpenvorland und nördlich des Erzgebirges. Dazu konsultiere man wie üblich die hoch aufgelösten Karten der Landeswetterzentralen: Schweiz, Österreich, Deutschland.
Ein wilder Mix, in dem alles ausser West- und Nordlagen vertreten ist, verdeutlicht die Launenhaftigkeit auch dieses Oktobers. Mit 18 zu 4 geht der Sieg wieder mal deutlich zugunsten der warmen Anomalien aus, nur gerade neun Tage galten als normal temperiert. Der grösste Anteil der Wärmeanomlie geht aufs Konto der milden Nächte: Nachtfröste blieben nämlich abseits der Hochtäler und den bekannten Muldenlagen in den Niederungen völlig aus, deshalb fehlt auch der Witterungstyp „trocken-kalt“.
Die Langfristprognose für den November findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
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