Trotz der in den Mittelfristkarten bereits ersichtlichen kühlen Phase um Pfingsten herum vertrauten wir auf die Prognose eines im Schnitt deutlich zu warmen Juni. Tatsächlich stellte sich vom 8. bis 25. eine durchgehend hochdruckbestimmte Phase mit aussergewöhnlich vielen Sonnenstunden, etlichen Hitzetagen und wenig Niederschlag ein. Allerdings gab es dabei ein deutliches Süd-Nord-Gefälle, was angesichts der noch kühlen Meere im Juni jedoch wenig erstaunt. Der Höhepunkt der Hitzewelle wurde am 22. Juni erreicht, mit Höchstwerten um oder knapp unter 36 Grad in der Schweiz und Österreich und 37.1 Grad in Andernach (Rheinland-Pfalz). Flankiert war diese heisse Phase zu Beginn und Ende des Monats von durchschnittlich bis leicht zu kühlen Tagen mit regional sehr hohen Niederschlagssummen, welche die trockene Phase in weiten Teilen Mitteleuropas mehr als wettmachten. Dennoch muss man lokal von einer fortgeschrittenen Dürre sprechen, etwa im Raum Linz und im Nordosten Österreichs, wo im gesamten Juni teils weniger als 15 mm Regen gefallen sind, dies nach bereits sehr trockenen Vorgängermonaten.

Sonnig, heiss und trocken: Am 8. Juni begann eine 18-tägige Hochsommerphase (Blick vom Grenzweg beim Schaffhausischen Bargen in den Hegau, rechts der Hohenhewen)
Die orniwetter.info/fotometeo.ch-Prognose für den Juni, erstellt am 31. Mai, lautete wie folgt:
Der Fortsetzung des seit Monaten herrschenden gemischten bis meridionalen Zirkulationsmusters will auch das Langfristmodell CFS noch nichts entgegensetzen. Die steuernden Hochs und Tiefs bewegen sich weiterhin nur langsam bzw. regenerieren sich immer wieder an ungefähr derselben Stelle. Die meisten Läufe gehen davon aus, dass sich über dem zentralen Nordatlantik eine Tiefdruckanomalie einnistet, eine zweite soll sich im Raum Nordwestrussland etablieren. Dazwischen eingeklemmt erstreckt sich eine Zone überdurchschnittlichen Drucks über fast den gesamten europäischen Kontinent, wobei das Zentrum in dem von uns bevorzugten Lauf genau über Mitteleuropa zu liegen kommt. Dessen Stärke wird allerdings nicht derart gerechnet, dass nun der ganze Monat nur hochdruckbestimmt verlaufen soll, zwischenzeitliche Störungsphasen sind also durchaus zu erwarten. Die dominierenden Grosswetterlagen dürften sein: Hoch Mitteleuropa, Südwest bis Süd antizyklonal, unterbrochen von Phasen mit zyklonalem sowie westlichem bis nördlichem Einfluss.
In Mitteleuropa ist ein im Schnitt gegenüber dem langjährigen Mittel sehr warmer (im Juni darf man auch sagen: heisser) Monat zu erwarten. Dies ist umso bemerkenswerter, als dass sich bereits zum Pfingstwochenende eine deutliche Abkühlung abzeichnet. Allerdings ist diese kühlere Phase nur kühl relativ zur davor sehr warmen Witterungsphase, im langjährigen Schnitt sinkt die Temperatur etwa auf jahreszeitliche Normwerte. Um die in unserem Lauf gezeigte Abweichung zu erreichen, muss also danach erneut eine sehr warme bis heisse Phase folgen. Die Karte zeigt auch eine deutlich zu kühle Region im Nordosten, dort haben bereits in den letzten Tagen und Wochen wiederholte Kaltluftausbrüche mehr an Winter als an Frühling erinnert.
Unter überwiegendem Hochdruckeinfluss wird der Juni in Mitteleuropa weiträumig trockener als im langjährigen Schnitt gerechnet. In den Alpen sowie wahrscheinlich auch in den Mittelgebirgen können Gewitter für lokale Niederschlagsüberschüsse sorgen. Auffällig ist die zu nasse Zone in weiten Teilen Westeuropas, hier sind häufige Trogvorderseiten (Süd- bis Südwestlagen) unter Einfluss des nahen Atlantiktiefs für teils ergiebige Gewitterregen verantwortlich. Spannend wird sein, wie sich die Anomalie im östlichen Mittelmeerraum manifestieren wird. In statistisch trockenen Sommermonaten können dort bereits wenige, aber kräftige Gewitter für ein deutliches Niederschlagsplus sorgen. Die gleichzeitige Kälte- und Tiefdruckanomalie ist in dieser Region aber eher ein Hinweis auf eine länger anhaltende Schlechtwetterphase.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Höhendruckfelds (5500 m) gegenüber dem langjährigen Mittel:
Das grobe Druckmuster wurde vom Modell nahezu perfekt erfasst, auch sind die Betragsabweichungen der Druckanomalien durchaus zufriedenstellend. Der auffälligste Unterschied besteht darin, dass zwischen dem mitteleuropäischen Hoch und dem Polarhoch keine Brücke besteht, sondern hier die Tiefdruckrinne zwischen West und Ost Bestand hatte. Die Folge daraus war eine weniger meridional geprägte Zirkulation, die zonalen Grosswettertypen (= Westlagen) bekamen ein stärkeres Gewicht als prognostiziert. Wie wir bei den Niederschlägen und den Witterungstypen sehen werden, hatte dieser auf den ersten Blick kleine Unterschied einen doch recht grossen Einfluss auf das Geschehen in Mitteleuropa.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur in rund 1500 m Höhe zur Klimanormperiode 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Über West- und Mitteleuropa war die Prognose nahezu perfekt. Die negative Abweichung in Südosteuropa blieb aus bzw. lag schwächer und südlicher an der libyschen Küste. Auch die Kälte im äussersten Nordosten Europas wurde gut erfasst. Die Kälteanomalie über dem Nordatlantik kam hingegen nördlicher zwischen Grönland und Island zu liegen statt im zentralen Nordatlantik, korrespondierend mit dem leicht nördlicheren Tiefdruckkern.
Daraus resultierte in Mitteleuropa am Boden ein zwischen 1.0 Grad im äussersten Norden Deutschlands und bis 3.0 Grad wärmerer Juni im Alpenraum gegenüber dem Mittel 1981-2010. Hier gab es gar Abweichungen bis knapp über vier Grad in einzelnen Tälern, was die grobe Karte nicht aufzulösen vermag. Damit war der Juni im Alpenraum der zweitwärmste seit Beginn der modernen Messungen vor ungefähr 150 Jahren, der weiterhin führende Juni 2003 spielte allerdings in einer eigenen Liga.
Etwas mehr Diskussionsbedarf gibt es bei der Niederschlagsverteilung:
Dass der Alpenraum aufgrund von Gewittern lokal grössere Abweichungen zur Prognose aufweisen könnte, wurde zwar erwähnt. Die schlussendlich resultierende massive Abweichung in den West-, Zentral- und vor allem Südalpen wie auch rund um die Ostsee war hingegen das Resultat der eingangs erwähnten zonaleren Struktur der Druckverteilung. Eigentlich erstaunt es, dass ein Monat mit einer starken Hochdruckanomalie über Mitteleuropa derart viel Niederschlag hervorbringen kann. Das Resultat macht aber deutlich, dass Niederschlagsprognosen im Sommer den schwierigsten Bedingungen des ganzen Jahres unterliegen. Da warme Luft deutlich mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann als kalte, können wenige Niederschlagstage sehr grosse Mengen bringen. Anders gesagt: Auch ein Sommermonat mit 27 Tagen Trockenheit kann schlussendlich wegen drei nassen Tagen einen Niederschlagsüberschuss hervorbringen, insbesondere im Gebirge mit seinen Staueffekten. Im Extremfall bringt dies sogar ein einzelner Niederschlagstag zustande, wie das Beispiel des Grossraums Berlin vom 29. Juni zeigt, wenn die doppelte bis vierfache Monatsmenge innerhalb von 24 Stunden niederprasselt.
Die Analyse der Grosswettertypen überrascht aufgrund der gut getroffenen Druckvorhersage mit dem völligen Fehlen des Typs „Hoch Mitteleuropa“. Hier zeigt sich, dass über einen Monat gemittelte Prognosen durchaus in die Irre führen können. Das Zentrum hoher Druckabweichung in Mitteleuropa kann auch durch beständige Hochdruckrandlagen zustande kommen. Die Phase vom 8. bis 25. Juni war eine solche mit wechselndem Hochdruckzentrum: Südwest antizyklonal, West antizyklonal und Nordwest antizyklonal gaben sich die Klinke in die Hand – sprich: Das Hochdruckzentrum lag jeweils nur an einzelnen Tagen direkt über Mitteleuropa, was nicht für die Klassifizierung einer eigenen Grosswetterlage Hoch Mitteleuropa ausreichte. Die Verteilung der Grosswettertypen entspricht mit seinem hohen Anteil an Westlagen, flankiert von Nordwest und Südwest, statistisch eher der Juli- als der Juni-Norm. Und schon haben wir die Erklärung für den hochsommerlichen Charakter des Juni 2017 in der Südhälfte Mitteleuropas. Dieser dürfte mit 17 : 1 beim Verhältnis warme zu kühlen Tagen unbestritten sein.
Die Langfristprognose für den Juli findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
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