Alle Jahre wieder… sobald der Herbst anklopft, wenn nicht sogar mit viel Getöse in Mitteleuropa Einzug hält, ist Zeit für die Weltmeisterschaft im Gasballon-Langdistanzrennen. Nach dem Abstecher in die USA im letzten Jahr findet das Rennen nun also wieder mitten in Europa statt, was aufgrund des geringeren logistischen und finanziellen Aufwands auch mehr Teams motiviert, teilzunehmen. Apropos Motivation: Auf dringliches Bitten meines Teams und etlicher Fans habe ich mich entschieden, dem Blog noch mal eine Chance zu geben, nachdem das Interesse im letzten Jahr deutlich eingebrochen war. Vielleicht findet ja das Rennen mit mehr Teams in Europa wieder etwas mehr Beachtung. Ich darf auch in diesem Jahr Balthasar Wicki und René Erni als Piloten meteorologisch beraten, diesmal bekommen wir – etwas gewöhnungsbedürftig, die Kennung SUI-2. Ein drittes Schweizer Team ist leider nicht am Start. Ebenfalls an unsere Betreuung angehängt hat sich das australische Team AUS-1 (keine Strategie, nur meteorologische und aviatische Beratung in heiklen Situationen).
Einführend oder als Auffrischung die generellen Bedingungen des Rennens:
Gewinner ist jenes Team, das am weitesten vom Start entfernten Punkt landet. Weder die zurückgelegte Strecke noch die aufgewendete Zeit spielen eine Rolle.
Der Startplatz Münster liegt auf 60 m.ü.M. im Norden des deutschen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, knapp 200 km von der Nordsee entfernt. Namhafte Gebirge gibt es in der Nähe des Startplatzes diesmal nicht, das Rothaargebirge mit Erhebungen bis ca. 840 m liegt etwa 100 km südöstlich. Die am weitesten entfernten möglichen Landepunkte sind:
– in westlicher Richtung die Westküste von Irland, ca. 1240 km, bzw. die Westspitze der Bretagne (Frankreich), ca. 980 km;
– in nördlicher Richtung das Nordkap in Norwegen, ca. 2375 km;
– in östlicher Richtung die Schwarzmeerküste in Bulgarien, ca. 1898 km;
– in südöstlicher Richtung die Ostspitze von Kreta (Griechenland) und die Ostküste von Rhodos, ca. 2390 km
– in südlicher Richtung die Südspitze Siziliens (Italien), ca. 1800 km
– in südwestlicher Richtung das Kap bei Sagres (Portugal), ca. 2110 km
Die meisten Extrempunkte sind allerdings rein theoretischer Natur, wie wir anhand der Wetterlage gleich sehen werden.
Offen sind alle Länder auf dem europäischen Festland, zudem Irland und Grossbritannien. Die östliche Begrenzung des Areals bilden die Grenzen zu Russland, Weissrussland, der Ukraine, der Republik Moldau und der Türkei. Zusätzlich wurde zu den Grenzen der in den Krieg involierten Länder eine Sicherheitszone eingerichtet, die das Wettkampfgebiet zusätzlich einschränkt. Jegliches Landen oder auch nur Befahren der rot und pink eingefärbten Zonen hat eine automatische Disqualifizierung zur Folge:
Quelle und zoombare Version der Karte: https://maps.gordonbennett.aero/2024/
Zu beachten ist, dass dadurch das Nadelöhr Suwalki-Lücke (Grenzübergang von Polen nach Litauen) noch schmaler geworden ist als ohnehin schon. Nicht berücksichtigt sind allfällige länderspezifische Luftraumrestriktionen: In früheren Jahren hatten einzelne Staaten ein Nachtflugverbot oder ähnliches.
Die offizielle Seite unter anderem mit Beiträgen zur Geschichte des Rennens, Regeln usw.: https://gordonbennett2024.de/de/
Das Live-Tracking während des Rennens und Live-Medienstream: https://live.gordonbennett.aero/
Die Facebook-Seite unseres Teams SUI-2: https://www.facebook.com/GB24SUI2
und meine eigene Facebook-Seite mit Kurzaktualisierungen, wenn keine Zeit zum Bloggen: https://www.facebook.com/fabienne.muriset
So präsentiert sich die allgemeine Lage am Freitag tagsüber vor dem geplanten Start:
Der Klassiker schlechthin bei der Grosswetterlagen-Bestimmung: Wann hört Trog Mitteleuropa (TRM) auf und wann fängt Hochdruckbrücke Mitteleuropa (BM) an? Wir sehen, dass soeben ein Abtropfprozess (CutOff) im Gange ist: Der südliche Teil des Troges löst sich vom Muttertrog im Norden, dies ist erkennbar in der farbig gehaltenen Höhenkarte (gelb der Kaltlutfttropfen knapp südlich der Alpen, grün bis gelb der Muttertrog über dem Nordmeer). Am Boden ist der Abtropfprozess bereits abgeschlossen, hier hat sich zwischen die beiden Tiefs eine schwache Hochdruckbrücke installiert, welche das Azorenhoch mit dem Russlandhoch zu verbinden versucht. Der Freitag ist somit exakt der unsichere Übergangstag: Was ist in Norddeutschland und somit am Startplatz in Münster stärker, der noch vorhandene Trogeinfluss in der Höhe oder die stabilisierende Hochdruckbrücke am Boden? Abschliessend können wir das zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht klären, etwas mehr Sicherheit gibt es erst am Vortag, wenn die hoch aufgelösten Modelle die Situation erfassen können. Schauersignale am Nachmittag sind in den derzeit verfügbaren Mesomodellen zu sehen, dazu Böen aus Nordwest von 35 bis 40 km/h: Das sind nicht ideale Bedingungen um auf relativ beengten Platzverhältnissen so viele Gasballone zu befüllen (23 Rennteilnehmer plus vier ausser Konkurrenz).
Für etwas mehr Stabilität sorgt die Hochdruckbrücke am Samstag, der Abtropfprozess ist dann auch in der Höhe abgeschlossen und der vertikale Temperaturgradient wird kleiner, da die Höhenkaltluft nach Südosten und Nordwesten zurückgedrängt wird. Schauerrisiko nach derzeitigen Unterlagen nur noch bei 20 % und Maximalböen um 30 km/h, das wären doch wesentlich bessere Bedingungen zum Aufrüsten und Befüllen der Ballone. Start somit erst am Samstagabend? Darüber soll sich die Rennleitung den Kopf zerbrechen – ich bin froh, dass ich diese Entscheidung nicht fällen muss… Mit dieser Unsicherheit des Startzeitpunkts ist es natürlich noch müssig, über irgendwelche Strategien nachdenken zu wollen, diese werden erst gerechnet, sobald wir gesichert wissen, wann gestartet wird. Hingegen lässt sich anhand der Karten der Mittelfristmodelle schon jetzt die Allgemeine Lage erörtern: Das CutOff-Tief im Südosten wird uns noch länger beschäftigen bzw. die Grenzen aufzeigen, wohin man am Wochenende bzw. zu Beginn der neuen Woche überhaupt hinfahren kann. Hier eine Animation von Freitag bis Montagmorgen:
Wie man sieht, eiert unser grüner Freund führunglos herum, wie dies für Kaltlufttropfen und CutOff-Tiefs typisch ist. Die exakten Zugbahnen sind extrem schwierig zu berechnen und sehen in jedem Modell ein wenig anders aus, sie haben aber enorme Auswirkungen in einzelnen Regionen. Vor allem wichtig ist, an welche Gebirge die Feuchteströme gelenkt werden und wo der Grossteil des enormen Wassergehalts der vom brühwarmen Mittelmeer aufgesogenen Luftmasse ausgeleert wird. Hier zum Beispiel die bis Mittwochmorgen aufsummierten Niederschlagsmengen desselben Modells:
Enorme Niederschlagsmengen am gesamten Alpennordrand ungefähr ab der Zentralschweiz mit einem Peak bis knapp 400 mm in Ober- und Niederösterreich und von dort nordostwärts bis zum Riesengebirge, wo sich ein zweiter Schwerpunkt herauskristallisiert. Diese Verteilung ist in der Modellwelt relativ gesichert, im Detail unterscheiden sie sich nur in den gerechneten Mengen und der exakten Lokalisierung der Peaks – diese werden seit Tagen immer wieder mal etwas hin- und hergeschoben, mal etwas westlicher, mal etwas östlicher. Was sich jetzt schon deutlich sagen lässt: Diese Zone ist auf jeden Fall zu meiden, nicht nur der Sicherheit der Piloten zuliebe, sondern auch der Verfolgerteams am Boden. Einerseits birgt diese Lage enormes Hochwasserpotenzial an allen die betroffenen Gebirge entwässernden Bäche und Flüsse, insbesondere dann auch an Inn, Donau, Oder und Weichsel. Wohl nur ein mittleres Hochwasser dürfte nach aktuellem Stand die Elbe bringen, aber auch das ist noch nicht in (entschuldigt den Kalauer) trockenen Tüchern. Des weiteren sinkt auch die Schneefallgrenze im Nordstau der Alpen deutlich unter 2000 Meter, örtlich sind sogar Schneeflocken bis 1000 Meter möglich. Dass unter diesen Umständen auch eine Alpenquerung unmöglich ist (auch in der etwas weniger belasteten Schweiz, dort ist aber die Luft am kältesten), versteht sich von selbst. Doch dies ist noch nicht alles, zoomen wir etwas raus:
Wenn man am Westrand des Tiefs den Weg nach Süden nimmt (eine andere Option lassen die Windverhältnisse gar nicht zu, egal ob am Freitag oder Samstag gestartet wird) und die Alpen im Westen umfährt, gelangt man unweigerlich in die Hexenküche Mittelmeer. Dieses weist wie schon erwähnt rekordhohe Wassertemperaturen auf, zusammen mit Höhenkaltluft darüber ist das ein echter Giftcocktail. Auch wenn die modellierten Niederschlagsmengen hier deutlich geringer sind als im Nordstau der Alpen, so handelt es sich doch meist um Gewitter. Somit gehört auch Italien zur No-Go-Area. Einigermassen sicher zu befahren sind eigentlich nur Frankreich und die Iberische Halbinsel (die Niederschlagssignale an den Pyrenäen stammen alle aus der Zeit bis inklusive Freitag). Somit dürften die Fahnen ausgesteckt sein, mehr erfahrt ihr auf diesem Kanal, sobald der Startzeitpunkt feststeht.
Update Donnerstag 11:30 MESZ
Wie die Rennleitung noch gestern Abend mitteilte, möchte sie das Rennen am Freitag starten – allerdings nicht wie geplant um 18 Uhr, sondern am späteren Abend. Das Aufrüsten der Ballone soll um ca. 16:00 Uhr beginnen. Na dann schauen wir mal, was das hoch aufgelöste Lokalmodell dazu meint:
Auch das französische und holländische Modell zeigen die Situation fast identisch. Die Stimme der Vernunft würde sagen: So nicht!
Abwarten und Tee trinken. Der traditionelle GBR-Kuchen dazu ist bereits im Backofen…
Kaum geschrieben, kommt die Meldung: Start auf Samstag verschoben (genaue Zeit noch nicht bekannt).
Der zusätzliche freie Tag hat uns allen gut getan: Weniger Hektik und vor allem die Aussicht auf faire Bedingungen für alle Teilnehmer mit viel besseren Chancen für eine sichere Fahrt. Die Windverhältnisse bei einem Start heute hätten das Teilnehmerfeld unweigerlich in die Alpen geschubst, wo derzeit extrem garstige und winterliche Verhältnisse herrschen. Eine Alpenquerung wäre nur im Westen des Gebirges möglich mit aufgelockerter Bewölkung, aber sehr starken Winden und Turbulenzen, was Flughöhen von mindestens 4500 m erfordern würde, um einigermassen ruhig drüber zu kommen. Bei Temperaturen von -10 bis -15 Grad nicht wirklich ein Vergnügen. Weiter östlich ist auch am Samstag alles dicht mit Schneefällen bis 1200 Meter herab. Am Sonntag hingegen sollte eine Alpenquerung bis etwa Tirol möglich sein, sofern das denn überhaupt jemand möchte. Die dann folgenden Luftraumrestriktionen in Italien sind ziemlich tricky, Milano (sehr grosses Gebiet) tagsüber sogar komplett verbotene Zone.
Der Start ist jetzt also für Samstagabend angesetzt. Offizieller Zeitplan ist Befüllen der Ballone mit Gas ab 15:00 MESZ und Start ab 20:00. Da der Wind aber speziell mitten am Nachmittag die höchste Böigkeit aufweist (modelliert werden 30-35 km/h), würde es mich erstaunen wenn der Zeitplan genau eingehalten werden kann. Am Abend legt sich der Wind jedoch rasch, die Startbedingungen sind dann für alle gleich vom ersten bis zum letzten. SUI-2 wurde der Startplatz 16 zugelost, wir sind sehr zufrieden damit (sehr ungewohnt, weder als Erste noch als Letzte in die Luft zu müssen 😉 ).
Derzeit werden die Startbedingungen um 22:00 MESZ vom Modell Arome so gerechnet (Quelle meteociel.fr):
Es kann also nur nach Süden gehen, je nach Präferenz etwas mehr nach rechts oder links. Ab etwa 1500 Meter findet man eine extrem trockene Schicht und sogar eine Inversion, ist dann also über allfälligen tiefen Restwolken und hat gute Sicht bei einer Umgebungstemperatur gerade noch im Plusbereich.
Die Rechnungen in Folge können derzeit nur grober Natur sein, da hoch aufgelöste Modelle nur bis Sonntagnachmittag vorliegen, hier aber schon mal ein Vorgeschmack, wie weit man in den verschiedenen Höhen bis Montag kurz vor Mittag kommen könnte:
Die Rechnungen fächern stark auf, je nachdem welche Flughöhe man am Sonntag wählt. Sie zeigen aber auch noch eine grosse Modellunsicherheit: Nach ICON geht es z.B. in 1500 m Höhe (rote Linien) nach Südwesten, nach EZMWF und GFS eher direkt nach Süden. Hinterlegt ist der modellierte Wind in 1500 m am Montag um 11:00 MESZ, und da fällt der Windkanal des Mistral im französischen Rhonetal auf, der wie eine Düse weit ins Mittelmeer hinaus bläst. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein GBR-Team in Nordafrika landen müsste, weil sie einfach nicht aus dem Windkanal rauskommen und eine Landung bei Sturmstärke in Südfrankreich schlicht halsbrecherisch wäre. Dies also schon mal die eine Herausforderung bei der Routenwahl, die es zu meistern gilt.
Für manche verlockend könnte die Option sein, in grosser Höhe über Sizilien hinweg und weiter nach Griechenland zu kommen. Die Modellunsicherheit ist aber auch hier noch gross: Findet man rechtzeitig die Kurve nach Osten, um auf das griechische Festland zu kommen? Andernfalls müsste man Kreta erwischen, und diese Insel ist nun mal bei Anflug aus Westen nicht wirklich breit. Aber wer aus knapp 1400 km Entfernung exakt die Suwalky-Lücke (Grenzübergang von Polen nach Litauen) trifft, schafft möglicherweise auch das… Noch mehr Kummer bereiten sollten die Gewitter, die ab Montagmittag über Sizilien und Kalabrien entstehen sollen, man müsste also vorher da durch, und das wird aufgrund der aktuellen Modelllage schwierig. Überhaupt schränkt die Wetterlage das befahrbare Gebiet stark ein, zumindest für all jene, die sich nicht auf ein Himmelfahrtskommando begeben möchten. Hier alle Wetterwarnungen für die nächsten Tage der nationalen Wetterdienste übersichtlich dargestellt:
Allzu gross ist also die Auswahl der Ziele für all jene, die auf der sicheren Seite fahren (und landen) möchten, nicht. Schauen wir mal, ob die Wettermodelle bis zum Start noch irgendwelche Überraschungen auftischen und neue Möglichkeiten eröffnen, mein Optimismus diesbezüglich hält sich allerdings in Grenzen. Doch auch so wird genug Spannung im Rennen sein, denn abgesehen von der Dringlichkeit, nicht in die Mistral-Düse gezogen zu werden, werden nur jene Teams eine gute Platzierung erreichen, die mit Feinjustierungen vertraut sind. Mit Hauruck-Übungen aus dem Korb heraus wird man (auch) diesmal keinen Blumentopf gewinnen.
Update zum Start am Samstag, 20:00 MESZ
Nur kurz, hier gibt’s grad ganz viel zu tun 😀
Das Wetter heute hat sich an die Vorhersage gehalten: Die Hochdruckbrücke hat sich endlich durchsetzen können mit knapp 1030 hPa Bodendruck in Münster. Entsprechend ist der Wind eingeschlafen, sobald die Sonne tief stand. Beste Startbedingungen also jetzt für alle Ballone, der offizielle Zeitplan konnte auch eingehalten werden. Hier nur mal eine Übersicht, wohin die Ballone in den ersten neun Stunden bis Sonnenaufgang ziehen können. Die Farblegende zu den verschiedenen Höhen seht ihr links, gerechnet wurden vier Modelle: ECMWF (Kreis), GFS (Quadrat), ICON-EU (Dreieck nach oben), ICON-D2 (Dreieck nach unten). Unterlegt ist die Bewölkung um Mitternacht.
Falls es verschiedene Strategien geben sollte (Ziel Spanien, Italien, Griechenland), dann werden die sich wahrscheinlich erst im Lauf des Sonntags herauskristallisieren. Für alle, die nach Spanien wollen stellt sich die Frage, ob man lieber in mittleren Höhen oder schneller in 4000 m fahren möchte. Den Kompromiss zwischen Ballastverbrauch und Geschwindigkeit wird wohl jedes Team indiviuell entscheiden. Unsere Strategie verrate ich selbstverständlich noch nicht 😉
Ich kann nicht versprechen, wann ich weitere Aktualisierungen posten kann, schaut am besten einfach am Sonntag hin und wieder mal rein.
Update Sonntag 01:30 MESZ
Unser Ballon schwimmt seelenruhig nach Süden, daher habe ich jetzt auch etwas Zeit. Diese Ruhe hat einen Grund: Fahren im Hochdruckgebiet auf einer Inversion. Wer sich bereits gewundert hat, warum fast alle Ballone seit nunmehr vier Stunden auf gleicher Höhe unterwegs sind und fast keine Höhenänderungen erfahren, hier ein kleiner Exkurs zum Thema Inversion:
Hier die aktuellste Modellrechnung auf unserer Position um 01:00 MESZ (Quelle: meteociel.fr). Dritte Spalte ist die Lufttemperatur, die vierte Spalte ist für heute irrelevant, dann folgt die Taupunkttemperatur und vor dem Wind noch die relative Luftfeuchtigkeit. Eine Inversion (= Umkehrung) ist dann gegeben, wenn mit zunehmender Höhe die Lufttemperatur nicht mehr sinkt wie normal, sondern wieder steigt. Hier im Modell ist diese Grenze etwas verschmiert, in der Realität ist sie viel schärfer ausgeprägt. Ich habe sie mit einer roten Linie markiert. Man sieht, dass die obere Schicht nicht nur etwas wärmer ist als die untere, sondern auch markant trockener und dass eine kleine Windrichtungsänderung vorliegt.
Inversionen sind uns am ehesten im Winterhalbjahr vertraut, wenn die bodennahe Luftschicht stark auskühlt und ein Hochdruckgebiet die Luft darüber erwärmt. Meist bildet sich dann eine ausgedehnte Stratusdecke, sprich Hochnebel. Heute ist der Gegensatz zwischen oben und unten nicht so ausgeprägt, ist ja auch erst Mitte September, und es sind relativ trockene Luftmassen im Spiel, daher kaum Wolkenbildung. Ein Gasballon kann auf der Inversion “schwimmen”, er fährt dann sehr stabil, ohne dass die Piloten auch nur ein Kaffeelöffelchen Sand abwerfen müssen. Dies deshalb, weil die kalte Luft unten schwerer ist als die warme oben: Der Ballon kann gar nicht nach unten durchfallen, es sei denn man macht irgendetwas falsch (auch das soll gelegentlich vorkommen 😉 ).
Wer nun die Höhe einzelner Ballone im Live-Tracking ganz genau mitverfolgt, wird trotzdem geringfügige Schwankungen feststellen. Das sind kleine Turbulenzen an der Inversion, die durch die Luftströmung verursacht werden. Je rauher das Gelände darunter, umso stärker werden diese. Bei einem Nebelmeer werden diese Turbulenzen und Strömungen sichtbar gemacht, wie hier bei dieser Aufnahme von der Rigi im November 2012:
Auf diesem Bild ist auch zu erkennen, dass das Nebelmeer von links nach rechts stufenweise abfällt. Das ist ebenfalls der Topografie geschuldet: Im Vordergrund befindet sich mit dem Vierwaldstättersee die tiefste Stelle des Geländes. Dort unten befindet sich nicht nur eine flache Wasseroberfläche, auch das Nebelmeer darüber ist relativ glatt. An diesem Tag war es aber auch synoptisch fast windstill, die einzige Luftströmung war der Kaltlluftstrom, der von den Alpentälern nach unten ins Mittelland floss.
Heute während des Ballonrennens haben wir eine andere Situation: Der Nordwind steigt vom Münsterland, wo gestartet wurde, kontinuierlich hoch, weil er das Bergische Land mit Erhebungen bis etwa 500 m überströmen muss. Und genau denselben Anstieg machen auch die Ballone mit: Waren sie über dem Flachland noch in 1600-1700 m unterwegs, beträgt die Flughöhe über dem Bergischen nun fast 2000 Meter. Tagsüber wird die Inversion aufgrund der immer noch recht starken Sonneneinstrahlung und folglich Erwärmung des Bodens aufgelöst, es wird sich etwas Thermik entwickeln: Warme, leichte Luftblasen steigen auf und werden eine deutlich unruhigere Fahrt der Ballone zur Folge haben.
Update Sonntag, 12:00 MESZ
Nicht nur in der Nacht war die Fahrt ruhig, sondern ein wenig überraschend auch noch den ganzen Vormittag über. Erwartet wurde ein Steigen der Ballone aufgrund der Erwärmung des Gases durch die Sonne, doch nichts dergleichen geschah bisher. Weshalb? Nun, nicht nur das Gas wird wärmer, sondern auch die Umgebungsluft (Absinken in einem Hoch bedeutet Erwärmung der Luftmasse um etwa 1 Grad pro 100 Meter). Die Ballone sind derzeit in Höhen zwischen 1400 und 2000 Meter in einer Lufttemperatur von ca. +8 °C unterwegs. Die Inversion wurde immer noch nicht gänzlich weggeheizt, das verhindert schon mal ein Absacken. Aber gestiegen wird eben auch nicht gross, sofern man keinen Ballast abwirft. So lange sich das Gas im Ballon nicht schneller erwärmt als die Umgebungsluft, fährt man ohne Ballast- und Gasverbrauch relativ stabil. Ballonfahren im Hochdruckgebiet kann ja sooo entspannt sein! Aber nur, solange der Boden nicht zu sehr aufheizt, am Nachmittag erwarte ich dann doch etwas mehr Bewegung durch Thermik.
Was die Strategie angeht: Das Himmelfahrtskommando über Sizilien nach Griechenland will offenbar niemand wagen, es wäre auch enorm schwierig von den Trajektorien her. Somit ist klar, dass eigentlich für alle das Ziel Iberische Halbinsel lauten muss. Und da gibt es noch ein paar Details zu beachten:
Dargestellt ist die Windrichtung in rund 1500 m Höhe am Montagmorgen auf der Iberischen Halbinsel und Umgebung. Die Ländergrenzen und Küstenlinien sind in etwas gar dünnem Schwarz gehalten, Ungeübte müssen vielleicht etwas suchen. Ich habe die möglichen Trajektorien anhand der aktuellen Position des immer noch recht geballten Feldes eingefärbt: Rot muss man unbedingt vermeiden, orange ist zumindest ungünstig, weil man dann entweder sehr hoch steigen muss um über die Pyrenäen zu kommen oder man mit dem verbotenen Luftraum der Madrider Flughäfen in Konflikt gerät. Die optimale Linie ist schwarz eingezeichnet, und nun kommt es auf die Navigationskünste der einzelnen Teams an, wie man diese möglichst westliche Position erwischt. Ich wünsche viel Spass bei der Beobachtung dieses spannenden Details!
Update Sonntag, 23:30 MESZ: Es ist kompliziert!
Meteorologisch wäre es ein relativ entspanntes Rennen in diesem Hochdruckgebiet. Man muss nur die Inversionen finden und sie je nach Tageszeit auszunutzen wissen, um eine möglichst ruhige Fahrt ohne unnötigen Ballast- und Gasverbrauch geniessen zu können. Die eher moderaten Modellunsicherheiten bezüglich Windgeschwindigkeit und -richtung hat man rasch im Griff, wenn man die Modelldaten mit den realen Werten im Korb vergleicht und regelmässig verifiziert. Und man kann auch zur interessanten Erkenntnis kommen, dass mitunter ein Modell mit sehr feiner Auflösung massiv schlechter rechnet als sein übergeordnetes Meso- oder gar Globalmodell. Details zu verraten, würde dem Aufgeben eines wichtigen Wissensvorsprungs gleichkommen – hier dürfen die anderen Teams gerne ihre eigenen Erfahrungen sammeln 😉 Die in der Grafik von heute Vormittag gezeigten Herausforderungen bestehen allerdings immer noch und werden von allen Teams offenbar recht gut gemeistert, wenn auch auf unterschiedliche Weise. Wie heisst es so schön: Viele Wege führen nach Rom, nach Spanien vorerst mal nur zwei, und dort schauen wir dann weiter.
Was jedoch alle Teams auf Trab hält und die Köpfe zum rauchen bringt, sind die Luftraumrestriktionen im Südwesten Frankreichs, die sich einem als regelrechtes Labyrinth in den Weg stellen:
Ich bin keine Aviatik-Expertin und kenne mich mit diesen Karten nur rudimentär aus. Nur so viel: Was tiefrot erscheint, ist in der Regel Sperrzone ohne Ausnahme, dies gilt insbesondere für Militärflugplätze und -übungsareale. So kann zum Beispiel fast die gesamte Küste südlich von Bordeaux nicht überfahren werden. Andere, blau-rot eingekreiste Gebiete sind mit einer Mindestflughöhe belegt, die meist irgendwo zwischen 1500 und 2000 m liegt. Ausnahmebewilligungen sind von jedem Team einzeln einzuholen, da werden sich die zuständigen Controllcenter aber mächtig freuen am Pulk von Ballonen der da auf sie zusteuert… Wer sich ein bisschen damit auskennt und das näher anschauen möchte, findet hier eine zoombare Karte mit der Möglichkeit sich eine Legende (natürlich nur auf französisch) anzeigen zu lassen. Auch für die Command-Centers der Piloten ist das mächtig viel Arbeit, da den besten Weg hindurch zu finden. Drei Teams haben entschieden, sich diesen Stress nicht anzutun und sind am Sonntagabend sicher und entspannt gelandet. Wie die anderen die Herausforderung meistern werden, ist bei diesem Rennen das Salz in der Suppe.
Update Montag, 08:15 MESZ: Es wird noch komplizierter
Was für eine Nacht! Ich befand mich gerade seit zwei Stunden im Tiefschlaf, als mich der Telefonanruf weckte. Jetzt haben wir den Salat!
Erst mal die Augen gerieben als ich sehen musste, dass da ganz viele Ballone über vermeintliches Sperrgebiet fahren. Die Bucht der Biskaya zu schneiden, war auch mein ursprünglicher Plan, dann durch den Nordwesten Spaniens nach Nordportugal und dort (falls genügend Ballast und Piloten noch fit) am Dienstag der Küste entlang so weit nach Süden wie eben noch möglich. Ob das Kap Sagres in Reichweite liegt, werden uns die Spitzenteams zeigen. Hier mal die Windverhältnisse in rund 1500 m Höhe am Montagmittag:
Für unser Team SUI-2 ist der Zug nach Nordportugal abgefahren, den erwischen wir aus unserer abgehängten Position nicht mehr. Diese ist das Resultat einer Verkettung kleiner Fehler, die am Sonntagnachmittag begonnen hat – kurz nachdem wir uns (zu früh und wohl auch zu sehr) darüber gefreut hatten, wie toll bisher alles für uns lief. Einmal etwas zu tief gesunken, optimale Richtung verloren, Zeit vertrödelt, Anschluss verpasst. Ein paar Minuten Unaufmerksamkeit, und schon ist der ganze Plan futsch. Dann die Fehleinschätzung mit den Sperrgebieten, die ich als Nicht-Aviatikerin nicht nachvollziehen kann, das müssen wir dann im Team noch in der Nachbetrachtung aufarbeiten. Wie auch eine Fussballmannschaft nach einem Eigentor nicht einfach für den Rest des Spiels über den Fehler schmollen kann, müssen auch wir jetzt nach vorne blicken und konzentriert das Spiel zu Ende bringen und aus der aktuellen Situation das bestmögliche Resultat herausholen. Wir sind jetzt genau in der Situation, die ich gestern fälschlicherweise der USA/NED-Gruppe angedichtet hatte, nämlich dass wir nur zwischen den beiden orangen Varianten wie gestern Mittag oben gezeigt auswählen können. “Hintendrein ist man immer schlauer” hilft uns im Moment nicht weiter. Immerhin: Das Wetter macht weder uns noch den anderen Teams Probleme, der Hochdruck ist stark genug um sämtliche konvektive Entwicklungen in der Nordhälfte der Iberischen Halbinsel zu unterdrücken. Erst im Lauf des Dienstags gibt es in der Südhälfte ein paar schwache Signale, wahrscheinlich aber nichts gefährliches. Ich berichte weiter, sobald Zeit vorhanden. Jetzt muss ich erst mal schauen, wie ich uns wieder aus dem eingebrockten Schlamassel rausbringen kann. Nach der ersten Halbzeit aufgeben ist für mich keine Option.
Update Montag, 22:30 MESZ
Unser Team SUI-2 musste vor Sonnenuntergang landen. Nicht wie im Gordon-Bennett-TV spekuliert wegen der Luftraumrestriktionen in Madrid (da hätte es durchaus Möglichkeiten gegeben, tief durchzufahren, da die totalen Sperrzonen relativ klein sind), sondern weil uns der Ballast ausgegangen ist. Wie es so weit kommen konnte, werde ich zu einem späteren Zeitpunkt erklären – nach nur 4 x 2 Stunden Schlaf seit dem Start fehlt mir jetzt dazu die Energie. Aktuell ist viel spannender, was die im Rennen verbleibenden Teams in den nächsten Stunden erwartet. Die meisten fahren in einer recht zügigen Nordostströmung in ungefähr 3000 m oder noch höher. Die tiefer fahrenden Ballone finden in etwa 1500 bis fast zum Boden runter hingegen in der zweiten Nachthälfte einen Ostwind, der sie direkt nach Portugal bringt:
Das Wetter ist dem Rennen nach wie vor günstig gestimmt: Trocken und bis auf ein paar Schleierwolken in grosser Höhe und vermutlich ein paar Bodennebelfelder in den frühen Morgenstunden an sich unproblematisch. Es gibt jedoch eine andere Einschränkung:
Zahlreiche kleine und ein paar sehr grosse Waldbrände sorgen nicht nur für eingeschränkte Landemöglichkeiten und Strassensperrungen für die Verfolgerteams am Boden, sondern schränken mit ihren dichten Rauchwolken auch die Sicht ein. Einige davon sind auf dem Satellitenbild vom Abend sehr gut zu erkennen, den Rauch der grössten Brandherde bläst es weit auf den Atlantik hinaus:
Zusätzlich zum Luftraumschlängeln kommt also auch noch die Herausforderung hinzu, den Waldbränden bzw. deren Rauchwolken aus dem Weg zu gehen. Noch während ich schreibe, landet ESP-1, das in Front liegend direkt auf Kurs in Richtung eines mittelgrossen Waldbrandes war. (Nachtrag: Der Grund für die Landung war eine Militärübung.) Die aus Osten vom Mittelmeertief herbeiziehenden Wolken wiederum werden erst am Dienstagnachmittag an der Ostküste und im äussersten Süden für Niederschläge sorgen, im Osten können sie auch gewittrig werden, aber dorthin will ja in diesem Rennen auch niemand. Die besten Siegchancen hat man am Cap Sagres, also in der äussersten Südwestspitze unseres Kontinents, weiter entfernt vom Startplatz kann man nicht fahren: Gibraltar hat ein paar Kilometer weniger Distanz zu Münster. Allerdings bildet sich am Dienstagnachmittag im Süden Portugals ein kleines Tiefdruckgebiet:
Diese Tiefdruckentwicklung hat jedes Modell zeitlich und räumlich ein wenig anders auf der Rechnung, entsprechend vogelwild sind dort auch die Trajektorien. Der Wind schläft entweder ganz ein oder kann innerhalb weniger Stunden komplett drehen, sodass man dann plötzlich statt nach Süden wieder zurück nach Nordosten fährt. Der Tanz um die besten Landeplätze wird im Lauf des Dienstags also spannend zu beobachten sein.
Auch diese Nacht war wieder sehr kurz, Adrenalin abzubauen dauert eine Weile. Beim letzten so aufregenden Rennen 2022 habe ich etwa fünf Tage gebraucht, bis der Schlaf-Wach-Rhythmus wieder hergestellt war. Letzte Nacht wurde uns wieder ein Lehrstück präsentiert, diesmal zum Thema: Wer zögert oder bummelt, wird bestraft. So präsentiert sich die Situation am frühen Morgen (klick ins Bild öffnet grössere Ansicht):
Hier wird offensichtlich dass mein ursprünglicher Plan, über die Biskaya zu fahren, der beste gewesen wäre. Fast alle Ballone, die diese Route genommen haben, sind auf direktem Weg nach Südportugal. Vom Cluster, der den kürzeren Landweg genommen hat, mussten die einen bereits gestern landen (zu viel Ballastverbrauch über den thermisch herausfordernden Gebirgen) oder sind in der Nacht in windschwaches Gebiet geraten oder haben eine abrupte Kursänderung nach Südosten hinnehmen müssen. Interessant ist, dass auch in der Biskaya-Gruppe nicht alle von ihrer günstigen Route profitieren konnten. Und da zeigt sich wieder mal: Wenn SUI-1 nicht mehr wie gewohnt hinterherbummelt, sondern plötzlich mächtig Gas gibt und fast alle überholt, dann hat das einen wichtigen Grund. Und diesen kann man nicht besser als im Vergleich von GER-1 (Eimers/Eimers) und GER-2 (Schlegel/Munz) visualisieren. Die beiden Teams befanden sich nämlich kurz vor Mitternacht noch direkt nebeneinander, nur wenige Kilometer lagen zwischen ihnen. GER-1 ist dann sehr schnell von 3000 auf 4700 m aufgestiegen, während GER-2 zwar kontinuierlich, aber eben sehr langsam an Höhe gewonnen hat und auch zu wenig hoch gestiegen ist. Da die drei deutschen Ballone vom gleichen Team am Boden dirigiert werden, könnte uns wohl nur dieses die Gründe für dieses unterschiedliche Vorgehen verraten. Ob’s unterschiedliche Ballastreserven waren oder schlicht die Erfahrenheit von GER-1, bleibt aus neutraler Sicht Spekulation. Was ist passiert, dass GER-2 derart abgehängt wurde?
Hier sehen wir die modellierte Windsituation in rund 3000 m Höhe um 02:00 MESZ. Kurz vor Mitternacht noch in der schnellen Nordostströmung in dieser Höhe fahrend, mussten die betreuuenden Meteorologen vorausschauend erkennen, dass in Kürze der Wind schwächer werden würde und auf Nordwest dreht. Anders in höherer Schicht zur selben Zeit, hier die Modellierung in 5500 m Höhe (für die Schicht dazwischen liegen leider keine Karten vor):
Hier wird der Wind zwar auch etwas langsamer (dunkelgrüne Fläche), behält jedoch die Richtung, um nach Südwesten voranzukommen. Das haben die meisten Teams erkannt und fahren deshalb sehr hoch. Nur diese haben die Chance, das Cap Sagres zu erreichen. In den tieferen Schichten wirkt sich die bereits am Abend erwähnte Tiefdruckbildung chaotisch aus, da wird man kaum noch einen Weg nach Südwesten finden. An diesem Beispiel bewahrheitet sich die Weisheit: Hast du die optimale Windströmung mal verloren, kannst du sie nicht mehr einholen. Eine Tatsache, die wir als SUI-2 während dieses Rennens gleich mehrmals erfahren mussten.
Update Dienstag, 11:00 MESZ
Was für eine Spannung wieder mal. Wenn man ein paar Landungen der letzten GBR in Erinnerung hat, dann weiss man, wozu manche Piloten fähig sind. Und es scheint so, dass sie auch diesmal vor nichts zurückschrecken. AUT-2 hat sich schon mal aufs Meer gewagt im Vertrauen, dass sie sicher einen Nordwest- oder Westwind finden werden, der sie aufs Festland zurückbringt. Auch die Teams SUI-1 und GER-1 haben in den letzten Jahren solche Landungen an der Schwarzmeerküste in Bulgarien hingelegt und wer erinnert sich nicht an die Landung des Freiburger Teams am völlig unzugänglichen äussersten Rand des Donaudeltas!
In der Meteorologie ist haargenaues Arbeiten Pflicht und deshalb wollte ich es auch betreffend Landeplätze genau wissen: Weiter oben schrieb ich ja bereits mehrmals vom Cap Sagres, als südwestlichster Punkt Europas ist aber das Cabo de Sao Vicente bekannt – beides geschichtsträchtige Orte übrigens, die einen Besuch lohnen (meiner liegt fast auf den Tag genau 28 Jahre zurück… die damals erstellten Dias habe ich leider nie digitalisiert). Doch welcher Punkt ist nun wirklich der vom Startplatz in Münster am weitesten entfernte? Ich kläre mit gütiger Hilfe von GoogleEarthPro gerne auf:
Links befindet sich das Cabo de Sao Vicente mit seinem Leuchtturm an der Westspitze, dort kann man also nicht landen. Der Kreis zeigt, dass der äusserst mögliche Landepunkt des Cabo de Sao Vicente weniger weit von Münster entfernt liegt als das Cap Sagres (rechts). Die Differenz beträgt ziemlich genau 600 Meter. Die Landzunge ist gerade mal 250 Meter breit, da braucht es schon Nerven wie Drahtseile für ein solches Husarenstück. Ob bereits Wetten am laufen sind, dass es jemand wagt???
Update Dienstag spätabends
And the winner is: Austria!
Mir steht immer noch der Mund offen bei dem, was ich da auf dem Bildschirm sehe. So sehr ich die entscheidenden Landungen gerne live mitverfolgt hätte: Kurz nach Mittag hat mich der Hammer niedergestreckt und konnte nicht mehr anders als dem enormen Schlafbedürfnis nachgeben. Bin zuvor nur noch herumgetorkelt – hätte ich nie für möglich gehalten, dass dies auch ohne die Hilfe berauschender Mittel möglich wäre…
Umso mehr Respekt zolle ich allen Ballonfahrern, die mehr als zwei Tage auf äusserst beengten Verhältnissen und den Wetterelementen ausgesetzt noch fit genug waren, um voll konzentriert eine Punktlandung (oder überhaupt eine sichere Landung) hinzulegen:
Was für ein Fotofinish! Nach den bereits oben erwähnten Husarenstücken konnte ich mir nicht vorstellen, dass dies noch getoppt werden könnte – ich wurde eines Besseren belehrt. Was da heute an Navigationskunst hingelegt wurde (dabei pflegen die Piloten ihren Passagieren doch stets zu erklären, dass ein Ballon eigentlich nicht steuerbar sei), ist unglaublich beeindruckend. Ein Video der Landung von AUT-2 ist beim GordonBennettTV zu sehen, ab Minute 55.
Ich ziehe meinen virtuellen Hut und gratuliere den Podestplätzen im Speziellen, aber auch allen anderen Teams zu ihrer hervorragenden Leistung. Von Berufs wegen freut es mich vor allem, dass trotz der teils ruppigen Windverhältnisse am Boden diesmal gröbere Blessuren ausgeblieben sind.
Beeindruckend ist auch die Tatsache, dass so viele Teams so lange unterwegs waren und derart viel Strecke zurückgelegt haben, dies teilweise mit Überwindung von gröberen Hindernissen. Nicht nur die Pyrenäen sind beeindruckend, auch die danach folgenden Gebirge auf der Iberischen Halbinsel darf man nicht unterschätzen, auch wenn wir Alpenländer dafür vielleicht ein mildes Lächeln übrig haben. Teilweise hatten wir Geschwindigkeiten von über 80 km/h, da werden Luftpakete hochkatapultiert und im Lee werden Rotoren erzeugt. Wenn man in Fahrtrichtung blickend die Ballonhülle nicht mehr über, sondern fast vor sich hat, kann ich mir gut vorstellen dass man sich nicht mehr ganz wohl fühlt dabei… Hier die überquerte Sierra Cebollera mit Höhen bis 2163 Meter, die unsere Piloten ganz ordentlich durchgeschüttelt hat (Bild: Balthasar Wicki, Bearbeitung: fm):
Bin etwas abgeschweift. Auf was ich eigentlich hinaus wollte: Die Spitze in diesem Sport ist in den letzten Jahren stetig breiter geworden. Zählte man noch vor kurzer Zeit maximal eine Handvoll Teams zu den Favoriten, sind es nun in jedem Jahr mehr, die ganz vorne mitfahren können. Technisch haben alle enorm aufgerüstet und die neuen Möglichkeiten der Kommunikation (in diesem Jahr erstmals mit fast durchgängig Breitband-Internet dank StarLink) haben zur Folge, dass jederzeit alle wissen, was die anderen machen und können sich danach orientieren oder die Strategie anpassen. Resultat ist dann wie heute das gegenseitige Belauern und Taktieren, wenn es in die Entscheidungsphase geht. Nichtsdestotrotz: Es geht nichts über Erfahrung, Erfahrung, Erfahrung. Und Punktlandungen wie heute schüttelt man nicht einfach so aus dem Ärmel: Ich würde ja gerne wissen, wie oft so etwas trainiert wurde.
Genug für heute… Ich werde noch detaillierter über unsere Fahrt berichten, doch jetzt muss ich erst mal viel Schlaf nachholen und mich an der frischen Luft bewegen, bevor ich mit meinem Bürosessel verschmelze. Spätestens am Donnerstag sollte der abschliessende Bericht dann aber fertig sein. Danke für euer Interesse bis hier hin und euren Support!
Update Donnerstag: Die Strategie und das Rennen von SUI-2 Wicki/Erni
Um irgendwelchen Missverständnissen vorzubeugen, muss ich gleich dies vorausschicken: Im folgenden Bericht geht es nicht um Schuldzuweisungen bei den einzelnen Fehlern, die – da wir alle Menschen und keine Maschinen sind – während eines solchen Rennens nun mal passieren. Sondern um der interessierten Leserschaft aufzuzeigen, mit welchen Schwierigkeiten man zu kämpfen hat, wie man sie löst (mal fast mirakulös, mal weniger gut, manchmal auch gar nicht) und vor allem: Wie wenig es leiden mag, weil jede noch so kleine Abweichung von der planmässigen Route – egal wie sie verursacht wurde – entscheidend für den weiteren Rennverlauf und die Chancen für eine gute Platzierung sein kann. Dieses Dokument dient uns auch teamintern, um für zukünftige Rennen zu lernen.
Grundlage bildet das Höhenprofil unserer Fahrt mit den nummerierten Schlüsselmomenten (Klick ins Bild öffnet grössere Ansicht):
Punkt 1 habe ich bereits im Update vom Montagmorgen erwähnt, hier die Details dazu: Wir waren am Sonntagnachmittag planmässig unterwegs und hatten eine Schicht mit überraschend westlichem Kurs gefunden, unsere Freude darüber war gross. Denn sie ermöglichte uns, in die Spur der am besten positionierten Teams (SUI-1, GER-1, GER-2 und AUT-2… man sieht, die Siegerteams sind dabei!) im Nordwesten zu finden, um mit ihnen nördlich von Bordeaux aufs Meer hinauszufahren. Dann passierte das Missgeschick: Unsere Piloten waren durch den Versuch, ein technisches Problem zu beheben, abgelenkt und der Ballon sank von 1400 auf 1000 Meter. Das hatte zur Folge, dass der Kurs nach Süden drehte und die Fahrt deutlich langsamer wurde, zu sehen hier an unserer Spur:
Nach etwa 20 Minuten war die ursprüngliche Fahrthöhe wieder erreicht, doch der zuvor optimale Kurs und die Geschwindigkeit konnten wir nicht mehr finden: Diese paar Kilometer südlich und der Zeitverlust führten dazu, dass uns die perfekte Windströmung davongeeilt ist. Dieses Phänomen haben wir auch in früheren Rennen beobachtet: Verlässt man – aus welchem Grund auch immer und nur für wenige Minuten – das optimale Luftpaket, dann fährt es einem davon. Man sieht dann nur noch seine Schlusslichter, einholen lässt es sich nicht mehr. Wie wir sehen werden, war dieser Moment für unseren weiteren Rennverlauf entscheidend: In alle Situationen, in die wir später hineingeraten sind, wären wir ohne diesen kurzen Taucher gar nicht erst gekommen. Kleine Ursache, grosse Wirkung! Doch um genau auf solche Situationen nicht völlig unvorbereitet zu sein, muss man sich bereits vorher Gedanken machen: Was wäre, wenn…? Ein Plan B und C bereitzuhalten, ist enorm wichtig, sonst verliert man nach einer überraschenden Wendung enorm viel Zeit, bis eine neue Strategie ausgearbeitet ist. Also nach meiner Siesta um 18:00 MESZ sofort die Modelllage gecheckt und neue Trajektorien von der aktuellen Position bei Bourges aus gerechnet, um zu überprüfen ob Plan B noch aufgeht (Klick ins Bild öffnet grössere Ansicht):
Links die Farblegende zu den Höhen der Trajektorien, unterlegt ist die Windprognose für Montagmorgen 08:00 MESZ. Rot eingezeichnet habe ich die Luftraum-Restriktionsgebiete, die wir vermeiden wollten und braun die höheren Gebirge. Plan A war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu realisieren, also Plan B. Das ist jene Route, welche die drei USA-Teams und NED-1 gefahren sind. In die Spitzenränge hätten wir damit nicht mehr fahren können und wären wahrscheinlich genau gleich in die Flaute über der Extremadura am Dienstagmorgen geraten, um dort wie die Amerikaner Sauschwänzli auf die Karte zu malen oder der neuesten holländischen Lieblingsbeschäftigung nachzugehen: “naar links!… naar rechts!” 😉
Also war nun das Zwischenziel, auf der nächtlichen Inversion in ca. 1000 m den Luftraum Mont-de-Marsan westlich zu umfahren, um im Baskenland im Lauf des Vormittags den sich erwärmenden Ballon auf etwa 2000 Meter steigen zu lassen und dann tagsüber in dieser Höhe Kurs auf Salamanca zu nehmen. Nun kam aber Punkt 2: Um 02:30 MESZ verliess der Ballon die Höhe von bisher knapp 900 m mit Kurs 225° und 32 km/h und stieg aus mir unbekannten Gründen (da war ich gerade auf dem Weg ins Bett) auf 1200 m. Wieder drehte der Kurs auf Süd, meine Ablösung machte darauf aufmerksam, dass der Südwestkurs nicht verlassen werden darf, worauf wieder gesunken wurde. Und da gab es offenbar ein Missverständnis: Im Bestreben, den westlicheren Kurs zu halten, wurde gesunken, bis dieser sehr tief wieder stimmte – jedoch auf Kosten der Geschwindigkeit:
Das war nahezu Stillstand (Punkt 3). Nun lagen die Nerven blank und ich wurde geweckt. Man kann sich vorstellen, direkt aus dem Tiefschlaf sich den Überblick zu verschaffen und eine Lösung zu präsentieren, ist nicht ganz einfach und es geht auch nicht schneller, wenn man unter Druck gesetzt wird. Also erst mal aus dem Bauch heraus den Ballon sofort zurück auf 1100 m dirigiert und siehe da: 41 km/h und Kurs 215° *uff*. Dann anhand der Position um 06:00 MESZ neue Trajektorien gerechnet und festgestellt, dass wir nun östlich am Sperrgebiet Mont-de-Marsan vorbeimüssen. Dieses Manöver hat uns also von Plan B auf Plan C katapultiert mit dem zusätzlichen Umstand, dass wir erneut etwa zwei Stunden auf die Marschtabelle verloren hatten, und genau das hat später eine weitere Weiche gestellt.
Mit Punkt 4 kommt nun ein erfreuliches Kapitel. Wenn schon Plan C, dann wollen wir möglichst ballastsparend über die Pyrenäen. Da gibt es nördlich von Pamplona einen sehr engen Pass von 700 m Höhe zwischen Bergketten von 1100 bis 1500 m. Dieser Pass wirkt wie eine Düse, in der Fachsprache Venturi-Effekt genannt: Wird ein Luftstrom in einen engeren Kanal gezwungen, dann beschleunigt er sich, sobald sich das Gelände wieder weitet, verliert er an Geschwindigkeit. Genau diesen Umstand wollten wir nutzen und er wurde von den Modellen auch lehrbuchhaft gezeigt (Klick ins Bild öffnet grössere Ansicht):
Die Trajektorienrechnung ab unserem Standort um 09:00 MESZ zeigt die eng gebündelten Rechnungen durch eben diesen Pass hindurch. Je nach Standort nach der Querung von Pamplona wollten wir entscheiden, ob die bessere Variante C1 noch möglich ist (laut Modellen knapp nicht) oder ob wir auf die Route C2 einschwenken sollen, um am Abend knapp östlich Madrid vorbei den dortigen Starkwind nach Süden zu erwischen (in der Karte sind die Windverhältnisse in rund 1500 m um 20:00 unterlegt). Die Modelle rechneten die Trajektorien östlich der Sierra Cebollera vorbei, was Variante C1 unwahrscheinlich machte. So weit die Ausgangslage. Doch geniessen wir zunächst die Aussicht von Pamplona zurück zum Pass, der soeben mit über 80 km/h überquert wurde (Bilder: Balthasar Wicki, Bearbeitung: fm):
Und der Blick nach vorne über das Tal von Pamplona mit der nächsten Bergkette am Horizont, die bei der aktuellen Reisegeschwindigkeit rascher näher kommen würde als uns lieb sein konnte, denn so war man mit dem Vergleich der tatsächlich gefahrenen Route mit den Modelltrajektorien immer hintendrein: In 5 Minuten wurden ja im Schnitt etwa 6 km zurückgelegt:
Und da geschah etwas Überraschendes, ich nannte es etwas voreilig das Wunder von Pamplona: Wir wurden weiter nach Westen getragen, als alle Modelle zeigten (schwarzer Pfeil in der Karte oben). Dies schürte bei uns natürlich die Hoffnung, dass wir doch noch in die Route C1 einbiegen würden. Die entscheidende Weiche dafür würde aber erst später durch die Sierra de Guadarrama westlich von Madrid gestellt, das unseren Luftstrom mit Höhen über 2400 m wie ein Keil spaltet. Im Glauben an die Route C1 liessen wir die Abzweigung nach C2 links liegen und bretterten wie wild direkt über die bereits früher geschilderte Sierra Cebollera statt östlich an ihr vorbei. Wieder Rotoren, wieder Thermik, das kostet Ballast und drückt auch jedes Mal Gas aus dem Ballon, aber unsere Piloten meisterten diesen Höllenritt (Punkt 5) bravourös. Nun wird man zu Recht einwenden, dass man da höher hätte drüberfahren können, um das Gerüttel zu vermeiden, und unsere Piloten hatten das zunächst auch vor, ich bat sie aber so tief wie möglich zu bleiben, weil uns eine höhere Fahrt wieder weiter nach Osten gebracht hätte, und jeder Meter in diese Richtung hätte die Chance, C1 noch zu erwischen, wieder gemindert.
Nach der Überwindung dieses Hindernisses drehte jedoch die Richtung in unserer Fahrthöhe von 2500 m weg von den optimalen 225° auf unter 210°. Das hoch aufgelöste französische Modell Arome (von dem leider keine Trajektorien gerechnet werden) zeigte jedoch in 2000 m nach wie vor unsere gewünschte Richtung, und so hiess ich die Piloten sachte abzusinken: Würde die Richtung bis 2000 m nicht besser, läge auch dieses Modell falsch. Was dann geschah, begreife ich heute noch nicht: Offenbar hatte ich nicht deutlich genug ausgedrückt, dass das Sinken bei 2000 m gestoppt werden müsse. Als ich das nächste Mal die Position kontrollierte, lag der Ballon schon fast am Boden, der hier eine Höhe von 850 bis 1000 m aufweist (Punkt 6):
Die Bemerkung, dass ich gar nicht so weit runter wollte, hätte ich mir wohl besser verkniffen, denn sie wurde dahingehend interpretiert, dass man sofort wieder steigen müsse. Natürlich nicht: Wenn man schon mal da unten ist und die Richtung wieder stimmt (denn nun kam der Leitplankeneffekt eben dieses Gebirgskeils zum Tragen, an dessen Nordwestflanke wir uns jetzt befanden), dann muss man konsequent sein und diesen Vorteil nicht gleich wieder unter Preisgabe von Ballast aufgeben. Offenbar war die Gebirgshoppelei zuvor derart schlauchend, dass im Korb nun gar nichts mehr hinterfragt wurde und völlig sinnlose Entscheidungen überstürzt getroffen wurden. Oder wie ich bereits am Freitag weiter oben schrieb: “Mit Hauruck-Übungen aus dem Korb heraus wird man (auch) diesmal keinen Blumentopf gewinnen”. In Stresssituationen werden all die guten Vorsätze offenbar vergessen. In diesem Moment wurde mir klar, dass das Rennen gelaufen ist, obwohl die Ballastinventur eine weitere Nachtfahrt noch ermöglicht hätte. Denn statt tief nach Südwesten zu fahren, wurde man jetzt weiter oben über die 1800 m hohe Krete gedrückt (Punkt 7). Wieder Gerüttel, wieder viel Ballast und Gas weg, und nun sass man in einem Tal in der Falle, das nur einen Ausweg zuliess: in südlicher Richtung direkt nach Madrid. In diesem Moment wurde auch den Piloten bewusst: Da kommen wir nicht mehr raus, denn über uns drüber ragt bereits die verbotene Zone des Madrider Luftraums, unten durch ist es verdammt eng und mit den jetzt noch verbleibenden Ballastreserven durch die Nacht zu manövrieren eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Und so wurde sofort die Entscheidung zur Landung gefällt, bevor man gleich wieder auf der anderen Talseite hochgedrückt wird und den Luftraum verletzt.
Die möglichen Ziele der Pläne B und C1 habe ich weiter oben bereits beschrieben, doch was wäre mit C2 gewesen? Vorausgesetzt, wir hätten den Osten von Madrid bis Montagabend erreicht, wären das die weiteren Optionen gewesen (Klick ins Bild öffnet grössere Ansicht):
In rund 900 m, also recht bodennah, hätte es noch einen schnellen Wind nach Westen gegeben. Geprüft habe ich das nach der Landung nicht mehr, aber die Wetterlage lässt mit hoher Wahrscheinlichkeit auch hier auf eine Inversion schliessen, auf der man nahezu ohne weiteren Ballastverbrauch durch die Nacht gekommen wäre. In Portugal östlich von Lissabon werden die Modelle wegen der dort einsetzenden Tiefdruckbildung tagsüber vogelwild. Die Basiskarte zeigt die Windverhältnisse in rund 2000 m um die Mittagszeit, dahin hätte man durch die Erwärmung des Ballons allenfalls noch mal aufsteigen können und etwas Land nach Süden gewinnen, bis zum Cap Sagres hätte es auf diese Weise aber wahrscheinlich kaum gereicht.
Persönliches Fazit
Zugegeben, es gab sie auch diesmal wieder: Die Momente, wo ich mich fragen musste, warum ich mir diesen Stress über fast eine Woche hinweg antue. Und dabei bin ich noch in der vorteilhaften Lage, die Arbeit in meinen eigenen vier Wänden zu erledigen, mit dem kürzesten Arbeitsweg den man sich vorstellen kann: Bett-Bad-Küche-Büro knappe 10 Meter. Etwas Anderes, wie ein auswärtiges Command-Center käme für mich auch gar nicht in Frage, ich weiss wo meine Grenzen der Belastbarkeit liegen. Und dann kommen die zahlreichen Aha-Erlebnisse auch im zehnten von mir betreuten Ballonrennen (auch wenn eins davon nicht gestartet wurde), die unbezahlbare Bereicherung und Horizonterweiterung, auch fachübergreifend. Die Verschränkung von Meteorologie, Aviatik und angewandter Physik und dabei vor allem der intensive Austausch mit Hilmar (wir können stundenlang videokonferieren, auch nach dem Rennen) ist jedes Jahr der Höhepunkt in meinem Berufsleben. Die gegenseitige Inspiration seit unserer ersten Zusammenarbeit führt auch immer wieder zu Erfindungen Hilmars, diesmal war es die von mir so sehr gewünschte fliegende Wetterstation mit minütlicher Datenübertragung auf meinen Bildschirm: ganz herzlichen Dank dafür! Die zusätzlichen Erkenntnisse über atmosphärische Vorgänge, die mir auch im täglichen Berufsleben Vorteile verschaffen und das intensive Training im vierdimensionalen Denken zwischen den modellierten Schichten sind ebenfalls eine gewaltige Bereicherung, die ich nicht missen möchte.
Und dann ist da noch die Wertschätzung des Teams und der Leserschaft dieses Blogs, die diesmal wieder überwältigend war, nachdem ich letztes Jahr fast aufgeben wollte. Besten Dank allen, die mir eine finanzielle Zuwendung haben zukommen lassen, ihr sichert damit das Überleben durch die auftragsarme Winterzeit, die ich hauptsächlich mit Forschung und Weiterbildung sowie mit Beiträgen in diesem Blog zum aktuellen Wettergeschehen und Klimathemen überbrücke – schaut doch auch mal zwischen den Rennen hier vorbei! Und dann bekam ich erstmals auch Fanpost:
Das ist sowas von lieb und ich war einerseits gerührt, andererseits kam das genau zur richtigen Zeit als Trösterli bei mir an, nämlich als mir klar wurde dass unsere Fahrt nur noch wenige Stunden (wenn überhaupt) dauern würde. Wenn das mal keine Motivationsspritze für das Gordon-Bennett-Race 2025 in Metz (F) ist… Wir sehen und lesen uns Anfang September wieder – unabhängig davon, ob ich ein Team berate: Den Blog wird’s geben. Habt ein gutes Jahr bis dahin und bleibt gesund, nochmals ganz herzlichen Dank für euer Interesse, die lieben Kommentare und euren Support!
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Beck Sacha am 11. September 2024 um 21:04 Uhr
Danke für deine tolle Arbeit
Klaus Friedrich am 11. September 2024 um 23:22 Uhr
Liebe Fabienne,
mir fällt ein Stein vom Herzen, dass Du weitermachst! Durch Deinen hervorragenden Blog wird das GB für mich viel interessanter. Ein dickes Dankeschön, was ich am Wochenende auch in einer Spende ausdrücken werden. Bin sehr gespannt auf die kommenden Tage, die Wetterlage ist ja diesmal wirklich “munter”. Drücke die Daumen für mehr Leser, sowie Dir und Deinem Team für eine erfolgreiche, sichere Fahrt. BG Klaus Friedrich
Gregory am 12. September 2024 um 07:10 Uhr
Vielen Dank für den super Service! Freu mich sehr auf deine Berichte vom Rennen.
Peter am 12. September 2024 um 10:17 Uhr
Freut mich zu sehen, dass es den Blog auch dieses Jahr wieder gibt!
Wünsche dem Team SUI-2 gutes Gelingen und auch allen anderen Teams eine sichere Fahrt.
Microwave am 12. September 2024 um 20:49 Uhr
Hoi Fabienne, GBR66 war komplett an einem anderen Zeitpunkt und sehr in einer Schulisch ziemlich anspruchsvollen Situation, und wurde gar nicht verfolgt von mir. Danke dass du nochmal 1 Chance gibst dieses Jahr, und cool wie du als Startzeitpunkt den Samstag vorausberechnet hast =) . Danke vielmal für den Blog, ich bin natürlich sehr gespannt und wünsche eurem Team eine sichere und schöne Fahrt! Ein GBR mitverfolgen ohne diesen Blog kann ich mir nicht wirklich vorstellen. Freundliche Grüsse – Microwave
Balthasar Wicki am 13. September 2024 um 21:48 Uhr
Danke, liebe Fabienne, dass Du uns auch dieses Jahr mit SUI 2 begleitest und zusammen mit Hilmar und dem ganzen Team (Jens, Patrick, Angelika, Beate, Matthieu etc.) leitest. Wir sind bereit und ready to rock’n roll … eine gute letzte Nacht, bevor es dann losgeht … Dein Team SUI 2!
PS: Ich weiss aus erster Hand, dass die Wettkampfleitung Deinen Blog aktiv mitverfolgt …. 😉
Nicole Riederer am 14. September 2024 um 09:11 Uhr
Liebe Fabienne, auch von mir herzlichen Dank für Deine spannenden Meteo-Beurteilungen und Deine wertvolle Unterstützung unseres Teams.
Ch.Käsermann (pöstligeo) am 14. September 2024 um 09:18 Uhr
Vieken Dank für deine äusserst spannend und stets kompetenten Ausführungen. Wirklich eine Bereicherung. Viel Erfolg mit deinem Team
Riederer am 14. September 2024 um 09:33 Uhr
Sehr intressanter und ausführlicher Bericht. Wir wünschen guten Flug.
Marcel am 14. September 2024 um 09:36 Uhr
Wir sind vor Ort in Münster und es ein pures Vergnügen, zusätzlich diesen Block lesen zu dürfen.
Es wird ein spannendes Rennen.
Vielen Dank !!
Luc am 14. September 2024 um 11:08 Uhr
Liebe Fabienne
Ich freue mich riesig auf deine spannenden Analysen. Ich drücke euch allen ganz fest die Daumen 🤞
LG Luc
Markus HAGGENEY am 14. September 2024 um 14:31 Uhr
Hoi Fabienne,
Deine profunden Analysen sind das “Salz in der Suppe”, um das Rennen zu verstehen. Unverzichtbar. Professionell. Detailliert. Ein Lehrbuch an angewandter Meterologie. Nicht nur jetzt relevant, wenige Stunden vor dem Start, sondern auch in der Nachbetrachtung.
Jeder Fan, Pilot, zukünftiger Pilot oder ein junger Mensch, der sich für das Studium einer Geowissenschaft (z.B. Meteorologie) entscheidet, findet hier umfassenden Einblick in diese phantastische Welt der Luftfahrt, und des Wetters.
Die grossartige Leistung der Piloten wird durch diesen Blog fachlich umfasssend herausgearbeitet.
Dafür gebührt Dir grösste Wertschätzung und ein dickes Danke Schön.
Viele Grüsse aus Münster.
Ueli Liniger am 14. September 2024 um 18:50 Uhr
Guten Abend Frau Muriset
Super Wetterblog, echt! mein Freund Balz Wicki hat mich darauf hingewiesen. Ich bin nicht Balonfahrer, sondern Hochseesegler. Ob Sie unsereins auch beraten könnten?
Beste Grüsse.
Ueli Liniger
huliniger@bluewin.ch
Francoise Wendel am 14. September 2024 um 20:01 Uhr
Liebes Team Suisse 2.
Wir drücken euch die Daumen und folgen der Fahrt live via Tracking App.Wir wünschen euch tollen Wind und gutes Wetter.
Herzliche Grüße und kommt gesund wieder.
Francoise und Stephan Wendel
Jürg Gasche Bühler am 14. September 2024 um 22:43 Uhr
Ich bin begeistert von diesen Beschreibungen, die mich als Laien ahnen lassen, wie komplex das Ballonfahren, Wind und Wetter nutzend, ist. Danke der Autorin Fabienne M.!
Jürg Gasche Bühler (Verbindung zu Balthasar Wicky)
HansOtto Naumann am 15. September 2024 um 00:31 Uhr
Herzlichen Dank Fabienne für diese Begleitung des GBR mit den fachkundigen Spekulationsmöglichkeiten zum weiteren Verlauf.
Herzliche Grüsse vom Freiballonverein Augsburg / Bayern.
Wir sind gespannt auf die nächsten Einschätzungen!
hannes.naumann@naumann-familien.de
Erika Fricker am 15. September 2024 um 11:16 Uhr
Liebe Frau Muriset
Vielen lieben Dank für Ihre so interessanten Berichte über das Gordon-Bennett. Das macht das Rennen noch viel spannender als es ohnehin schon ist.
Ich wünsche Euch allen ganz gute und erfolgreiche Fahrt und gute Nerven im Meteobüro.
Mit ganz lieben Grüssen.
Erika Fricker
Francoise Wendel am 15. September 2024 um 13:26 Uhr
Lieber Balthasar.
Vielen Dank für deine informativen Beobachtungen, auch während der Fahrt.
Ich habe alles gelesen 🫶 Fränzi ❤️
Microwave am 15. September 2024 um 21:10 Uhr
Liebes SUI2 Team, danke vielmal für eure interessanten Interviews im Gordon Bennett TV. Bin die ganze Zeit fast pausenlos am verfolgen und mitfiebern! Könnt ihr bei guter Sicht ev. noch ein bisschen filmen direkt nach unten (mit oder ohne Beitrag in der TV Show, einfach so zum geniessen für die anderen?) Glück ab und guet Land! – Microwave
Microwave am 16. September 2024 um 15:22 Uhr
Gratulation SUI2 zur Überschreitung von der Spanischen Grenze! =) Jetzt hoffe ich natürlich, dass ihr irgendwie halbwegs gescheit an Madrid vorbeikommt. Grüsse – Microwave
Klaus Friedrich am 16. September 2024 um 20:52 Uhr
Glückwunsch an SUI-2 zur sicheren Landung nach toller Fahrt! Platz 14 und damit wahrscheinlich die weiteste Fahrt der 2-Nächte-Fahrer ist aller Ehren wert! Beste Grüße, Klaus Friedrich
Vytautas am 16. September 2024 um 22:49 Uhr
Wait, what? They cannot go to Canary islands?
Microwave am 17. September 2024 um 00:22 Uhr
Hmmm… Naïverweise hätte ich gedacht, es liege nicht am Ballast. Weil im Gegensatz zu SUI1 hat SUI2 ja keine Gewaltakte mit 4900 m Höhe hinter sich. Was ist der Grund dass die im Moment sich immer noch bei 4900 m Höhe aufhalten können? Was müsste geändert werden, dass es bei SUI2 auch möglich wird? Fehlt gutes Equipment oder so? Oder ist der Ballon zu schwer, damit nicht genug Ballast mitgenommen werden kann? In meiner persönlichen Meinung/Auffassung lag es schon ein oder mehrere Male am Ballast, wie ist das zu erklären im Gegensatz zu den (in meiner Interpretation) viel extremer fahrenden Teams? (Sory etwas lang geworden, aber habe mehrere Stunden nonstop verfolgt im Tracker, und sehr mitgefiebert, und habe es halt (naïv) nicht ganz verstanden) Grüsse und trotzdem Gratulation zu der anständigen Strecke – Microwave
Klaus Friedrich am 17. September 2024 um 14:36 Uhr
Was für ein irres Finish in Südportugal!Einer robbt sich von Osten her ran, der andere von Nordwesten. Und hinter beiden lauert noch GER-3.
Martin Blum am 17. September 2024 um 16:06 Uhr
Ja, spannender hätte es nicht sein können. Das “Husarenstück” ist tatsächlich gelungen. Mit einer unglaublichen Präzision, viel Mut, und Ballastreserven;-).
Vielen lieben Dank Fabienne für Deinen spannenden und fundierten Blog, das war mal wieder erstklassig hier!
LG Martin (Flowi)
Peter am 20. September 2024 um 08:56 Uhr
Vielen Dank für den ausführlichen Blog, insbesondere die Nachbetrachtung bezüglich Strategie und den Schlüsselmomenten war sehr interessant.
Microwave am 20. September 2024 um 23:18 Uhr
Danke vielmal für den Schlussbericht. Meine Fragen sind dort grossteils detailiert begründet worden, danke!
Klaus Friedrich am 24. September 2024 um 19:18 Uhr
Liebe Fabienne,
Dein sehr offener Schlussbericht ist die Sahne auf der 1a-Torte, die Dein Blog auch dieses Jahr wieder geboten hat. Bin sehr froh zu lesen, dass Du dem GB treu bleibst und hoffe sehr, dass die Resonanz nächstes Jahr weiter steigt – Du hättest es mehr als verdient! Herzliche Grüße und nochmals großes Dankeschön für Dein Engagement, Klaus Friedrich