“Ein Sommer, wie er früher einmal war?”, so lautete die Frage Ende Juni nach einem völlig missratenen Sommerstart und einer weiteren Woche zyklonaler West- bis Nordwestlage in Aussicht. Doch zum Glück verschläft der Siebenschläfer gelegentlich und dies nicht nur der Kalenderreform wegen: Entscheidend ist, was in der ersten Juliwoche passiert, manchmal muss man ihm auch etwa bis zum 10. Juli Zeit lassen. So viel vorweg: Es war ein Retro-Hochsommer, was die Zirkulationsform im atlantisch-europäischen Raum betrifft, also viel West und somit klassisch wechselhaft in Mitteleuropa. Das Temperaturniveau ist inzwischen aber derart hoch, dass man sich vor 40 Jahren über einen solchen Sommer die Finger geleckt hätte…
Anders als im letzten Jahr, als uns die Siebenschläfer-Bilanz einiges Kopfzerbrechen bereitet hatte und man ehrlicherweise gestehen musste, dass egal wie man es dreht, das mit “so das Wetter sieben Wochen bleiben mag”, völlig in die Binsen ging, hat es uns der Hochsommer 2024 deutlich leichter gemacht. Prognostiziert wurde ein wechselhafter Sommer ohne lange und extrem heisse Phasen, aber auch ohne längere kühle und verregnete Abschnitte, aber durchaus mit Unwetterpotenzial. Nehmen wir wieder die DWD-Station Konstanz als Referenz für das südliche Mitteleuropa abseits der Gebirge, so wird dies deutlich:
Natürlich kommt man auch so nicht auf sieben Wochen “gleiches Wetter wie am Siebenschläfertag”, die Regel so auszulegen wäre auch extrem unsinnig – oder hatten wir jemals eine Periode von 49 Tagen in Folge, in der sich das Wetter niemals geändert hat? Eben, wir sind ja nicht in der Wüste Gobi. Was auffällt: Mit dem 3. Juli endete die letzte zyklonale Nordwestlage der Frühlingszirkulation:
Zwar folgten noch ein paar kühle und nasse Tage (West zyklonal bis 7. Juli), danach war es aber mit den Schweinereien im südlichen Mitteleuropa vorbei, wenn man mal von den heftigen Gewittern im Alpenraum absieht. Da West zyklonal auch zum Monatswechsel Juli/August noch mal in Erscheinung trat, kann man also den Beginn des diesjährigen Siebenschläfer-Zeitraums auf den 4. Juli legen. Ab dieser Zäsur gab es in Konstanz nur noch drei einzelne Tage mit knapp unter 20 Grad Maximaltemperatur sowie 35 Sommertage, davon zwölf Hitzetage. Hingegen lag der absolute Höchstwert bei gerade mal 33.6 °C, ein tieferes Jahresmaximimum (sofern es 2024 dabei bleibt), gab es in diesem Jahrhundert nur vier Mal (2002, 2004, 2008 und 2021). Auch in der Schweiz brauchte es in diesem Sommer die neue Station in Biasca (Messbeginn 18.08.2017), um die 35-Grad-Marke zu knacken, die spielt aber sowieso in einer eigenen Liga und dies nicht nur, weil sie auf der Alpensüdseite liegt.
Auch die Niederschlagsverteilung unterstreicht die für den mitteleuropäischen Sommer typische wechselhafte Witterung: Nach dem 3. Juli gab es keine Serie von mehr als zwei Tagen mit > 1mm Niederschlag in Folge, erst vom 16. bis 18. August wieder. Und die einzelnen Tage mit hohen Niederschlagssummen (mehr oder weniger zufällige Gewittertreffer) konnten nicht verhindern, dass der Hochsommer insgesamt etwas trockener war als im langjährigen Mittel (Juli und August bis inkl. 21. bei jeweils 78 %). Auch die Tage mit weniger als fünf Stunden Sonnenschein traten zwischen dem 4. Juli und dem 16. August immer nur vereinzelt auf (Ausnahme 12./13. Juli). Insgesamt also ein durchaus angenehmer Hochsommer mit vielen sehr sonnigen und nicht zu heissen Tagen und trotzdem genug Wasser für die Natur in regelmässigen Abständen – etwas, das uns in den letzten Jahren immer häufiger abhanden gekommen ist mit jeweils sehr langen Hitze-/Dürreperioden oder gleich wochenweise oder sogar mehr verregneten Phasen. Und dies trotz überwiegend zonaler Zirkulation bzw. positiver Nordatlantischer Ozillation (NAO+), also Westlagen:
Die Hälfte der legendären sieben Wochen waren also von Westlagen geprägt (Verhältnis antizyklonal zu zyklonal inkl. Winkelwest = 11 zu 12 Tage, also sehr ausgeglichen). Die andere Hälfte teilen sich Südwest- und Südlagen sowie der GWT Hoch, wobei nur drei Tage “echtes” Hoch Mitteleuropa, sieben Tage gehörten der im Sommer meist instabilen Hochdruckbrücke. Der Sektor Nordwest über Nord bis Ost fehlt komplett, auch vermochte diesmal kein Tief Mitteleuropa die Urlaubszeit zu versaubeuteln.
In diesem Stil geht es nun weiter, die Siebenschläfer-Witterung geht also in die Verlängerung. Wobei eben nicht mehr Hoch-, sondern Spätsommer ist: Das Temperaturniveau sinkt nun spürbar, was vor allem auf die länger werdenden Nächte zurückgeht. Wie der letztjährige Spätsommer gezeigt hat, sind Hitzetage aber noch weit bis in den September hinein möglich, sie sind allerdings dank tieferem Sonnenstand und kürzerer Einstrahlung nicht mehr so belastend wie im Hochsommer. Derzeit liegen wir wieder in einer antizyklonalen Westströmung, die am Wochenende vorübergehend zyklonal wird. Danach geht der Trend in Richtung Südwestlage, also auch hier nix Neues:
Die permanente Vorderseite des riesigen atlantischen Tiefs schaufelt so viel warme Luft in den Norden Europas, dass dort zum Monatswechsel das Geopotenzial massiv ansteigt. Dies könnte der Türöffner für das definitive Ende des Siebenschläfer-Regimes und der Wechsel ins frühherbstliche Zirkulationsmuster (Block = rot) sein:
Regime Block bedeutet ein blockierendes Hoch irgendwo über Nord-, Ost- oder Mitteleuropa. Entsprechend unterschiedlich können die Anströmungen für Mitteleuropa sein, was sich in der Streuung der Temperatur zeigt, wenn auch die grosse Mehrheit der Member nach wie vor Höchstwerte über dem jahreszeitlichen Mittel sehen:
Bei gleichzeitig zunehmender Niederschlagswahrscheinlichkeit und vorwiegender Anströmung aus Nordost deutet einiges darauf hin, dass sich das Hoch über Skandinavien einnisten wird und warm-feuchten Luftmassen aus dem östlichen Mittelmeerraum die Tür geöffnet wird. Eine völlig neue Situation, aber nach wie vor nicht unsommerlich.
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