Mit der Tag- und Nachtgleiche am 23. September sind wir nicht nur astronomisch in den Herbst eingetreten, sondern in dieser Zeit hält auch der phänologische Vollherbst Einzug. Dass die Blattverfärbung nun trotz der warmen und trockenen Witterung einsetzt, ist kein Widerspruch. Im Gegenteil: Der lange anhaltende Altweibersommer ist eine gute Voraussetzung für die Farbenpracht der nächsten Wochen. Das Wetter jedenfalls scheint in diesem Fall mitzuspielen.
Warum die Bäume sich verfärben
Der phänologische Vollherbst beginnt mit der Reife der Früchte von wild wachsenden Bäumen wie Bucheckern, Eicheln und Rosskastanien, aber auch mit der Blattverfärbung dieser Bäume. Mit dem Abwurf der Blätter im Herbst schützt sich der Baum vor Austrocknung, verdunstet doch über die Blätter jeden Tag eine grosse Menge Wasser, die der Baum im Winter durch die gefrorenen Böden oder wegen des in Form von Schnee gebundenen Wassers nicht über die Wurzeln aufnehmen kann. Bevor die Pflanzen jedoch ihre Blätter abwerfen, sichern sie sich die in ihnen enthaltenen wertvollen Nährstoffe und lagern diese im Stamm, in den dicken Ästen und in den Wurzeln ein. Dies sind in erster Linie Stickstoff, Proteine und das grüne Chlorophyll. Im nächsten Frühling stehen den Bäumen somit diese Nährstoffe für den Blatt- und Blütenaustrieb wieder zur Verfügung. Auf die gelben Karotinoide und die roten Anthocyane können die Bäume jedoch verzichten: Sie verbleiben in den Blättern und werden mit diesen abgeworfen.
Frühe Verfärbung in diesem Jahr?
Bereits Anfang September konnte man an einigen Bäumen selbst in den Niederungen die erste Blattverfärbung erkennen, obwohl noch sommerliches Wetter vorherrschend war. Dies ist nur auf den ersten Blick ein Widerspruch. Wärme und Trockenheit im Spätsommer lösen bei den Bäumen genau denselben Impuls aus wie der nahende Herbst: Sie wollen sich vor Austrocknung schützen. Zudem war das Jahr insgesamt in weiten Teilen Mitteleuropas zu trocken, und insbesondere im Westen sorgte der rekordwarme April für einen um zwei bis drei Wochen zu frühen Blattaustrieb. Diesen Vorsprung in der Phänologie schleppt die Natur das ganze Jahr über mit, was sich auch in der früheren Reife der Früchte und eben in einer zeitigen Blattverfärbung niederschlägt.
Nach dem Altweibersommer direkt in den Goldenen Oktober?
Ein lang anhaltender Altweibersommer ist eine gute Grundlage für einen Goldenen Oktober. Der Blattabwurf im Herbst wird durch frühe Nachtfröste, Regen und insbesondere Wind beschleunigt. Lang anhaltendes, trockenes und mildes Hochdruckwetter sorgt hingegen dafür, dass die zunehmend bunten Blätter lange an den Bäumen verbleiben. Dafür sind die Voraussetzungen in diesem Jahr sehr gut, denn die momentan vorherrschende Grosswetterlage weist eine hohe Erhaltungsneigung auf. Ein durch alle Höhenschichten reichendes Hochdruckgebiet über Mitteleuropa hält sämtliche atlantischen Fronten von uns fern. Somit kann man als Meteorologin schon jetzt ein prächtiges Wochenende um den 1./2. Oktober versprechen, ohne sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen. Ganz West- und Mitteleuropa sowie der gesamte Alpenbogen profitieren davon. Einschränkungen gibt es in den Niederungen einzig durch Frühnebelfelder und entlang des Alpenhauptkamms durch meist harmlose Quellwolken. Erst um den 5. Oktober herum deuten einige Modell-Läufe einen Wetterumschwung an, dieser dürfte aber – sollte er überhaupt eintreffen – nur ein kurzes Zwischenspiel sein. Die Chance ist gross, dass sich das Hochdruckwetter bis Mitte Oktober hält. Wem dies zu unsicher ist, der sollte das erste Oktober-Wochenende nutzen, um die Farbenpracht zu geniessen. Fotografen werden sich an den zahlreichen Motiven mit der optimalen Komplementärfarben-Kombination blau-gelb erfreuen können.